Zurück aus der Studenten-Blase
Colin Bätschmann hat sein Utrecht-Abenteuer beendet – ein Rückblick.

Die Rückfahrt von Utrecht nach Zürich – rund acht Stunden mit Umstieg am erstaunlich provinziellen Hauptbahnhof Mannheim – war landschaftlich gesehen sehr aussagekräftig. Kaum bei Basel die Schweizergrenze passiert, musste sich der Nacken des aus dem Zugfenster Schauenden wieder daran gewöhnen, auch erhöhte Objekte, über Blickhöhe, zu erfassen. Während all meiner Ausflüge in den Niederlanden war dies nie nötig gewesen, einzig der Blick in die weite Fläche war zum Einsatz gekommen.
Während meiner fünfmonatigen Abwesenheit scheint sich hier nicht allzu vieles verändert zu haben, zumindest nichts auf den ersten Blick Erkennbares. Mir kommt es jedenfalls so vor, als sei ich gar nie weg gewesen. Gewisse Details im Alltag rufen aber doch Erinnerungen des vergangenen Semesters in Utrecht hervor:
Von meinen während der letzten Monate antrainierten Velofahrer-Wädli will ich mich natürlich nicht verabschieden, weshalb ich auch hier vermehrt das Velo als Fortbewegungsmittel wähle. In der Stadt Zürich ist dieses Erlebnis aber ein ganz anderes als in Holland. Nicht nur musste ich mich bei meiner ersten Fahrt vom Opernhaus nach Altstetten wieder an mein Mountainbike gewöhnen – ich sitze nicht mehr aufrecht wie auf dem orangen Utrechter Mietvelo, bremse nicht mehr per Rücktritt und komme in den Genuss des Gangschaltens –, sondern teile ich hier die Strasse, man glaubt es kaum, mit Autos. Keine separaten Velowege, keine allzu rücksichtsvollen Autofahrer.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich will mich nicht über die Velostadt Zürich beklagen, aber bezüglich des Velofahrens würde hier so manche Holländerin bzw. so mancher Holländer einen Kulturschock erleiden. Man stelle sich vor: Auf der Europabrücke haben Velofahrende den Streifen sogar mit Fussgängern zu teilen – eine Kombination, welche in den Niederlanden wohl Tote fordern würde.
In Utrecht bestand ein beachtlicher Teil meiner Ernährung aus Sandwiches. Obwohl ich, wie damals erwähnt, ein «fanatischer Anhänger und Freund des belegten Brotes» bin, habe ich doch seit meiner Rückkehr kaum ein Sandwich gegessen. (Eine Überschussreaktion?) Stattdessen: Cervelats und Landjäger, das haben die nämlich nicht in Holland. Ansonsten musste ich in Utrecht ja kaum auf Schweizer Spezialitäten verzichten, sogar Rivella gibt es da, wie ich berichtet habe. Aber genug zu meinen Essgewohnheiten, wen interessieren die?

Dass in der Schweiz bei meiner Rückkehr das WM-Fieber ausgebrochen war – das Nationalteam war noch im Rennen –, stellte einen starken Kontrast zur niederländischen Situation und dem dortigen Interesse gegenüber der Weltmeisterschaft dar. Meines Wissens unterstützten viele Niederländer ihren Nachbarn Belgien, doch so richtig interessieren wollte sich niemand für den Anlass: keine Public Viewings, keine Hupkonzerte. In Utrecht hatte ich mir ausserdem kaum einen Match anschauen können, weil ich keinen Fernseher besass und die Spiele im Internet nicht preisgünstig zu streamen waren – anders als beispielsweise bei der Eishockey-WM im Frühling, welche auf YouTube übertragen worden war.
Bereits bei der Ankunft am Hauptbahnhof in Zürich fiel mir ein markanter Unterschied zu Utrecht auf: die Diversität der Menschen, insbesondere in Bezug auf ihr Alter. Utrecht ist eine Stadt voller Studierender (20 Prozent der Bevölkerung), und in der Innenstadt rund um die Oudegracht wird praktisch jedes Restaurant und jeder Laden von jungen Leuten betrieben. Natürlich befand ich mich als Student zusätzlich in einer Art Blase und hatte fast ausschliesslich mit jungen Leuten zu tun. Dies mag zwar ansprechend klingen, doch profitiert eine (Stadt-)Bevölkerung davon, dass sie sich aus ganz unterschiedlichen Individuen und Gruppen zusammensetzt – nicht nur verschiedene Nationalitäten, sondern eben auch diverse Alters- und nicht zuletzt Berufsgruppen.

Ich vermeide es zum Schluss, mein Lobeslied auf den Zürichsee als Bademöglichkeit erneut anzustimmen und belasse es bei der Aussage, dass ich diese während der heissen Sommertage ausschöpfe und die doch eher übelriechenden Kanäle Utrechts langsam meiner Erinnerung entschwinden. In einigen Tagen kommt ein niederländischer Kollege für einige Wochen nach Zürich, und ich kann es kaum erwarten, ihm die Region zu zeigen, nachdem er dazu beigetragen hatte, mir die wunderbare Stadt im Herzen der Niederlande näherzubringen.
Colin Bätschmann
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