In eigener SacheWo wir brillieren, wo wir uns verbessern müssen
Corona dominierte alles, gutes Handwerk, Schwächen beim Digitalen – zu diesem Fazit kommt der aktuelle Tamedia-Qualitätsreport.

Das Qualitätsmonitoring der Tamedia-Medien ergab für das vergangene Jahr insgesamt ein positives Bild. Die zehn beigezogenen Expertinnen und Experten (acht von ihnen aus der Wissenschaft) attestierten den Redaktionen ausnahmslos eine gute Einhaltung der handwerklichen Regeln gemäss dem Handbuch «Qualität in den Medien» (2017) und auch eine beachtliche Menge von täglichen Eigenleistungen angesichts von Kurzarbeit und Homeoffice.
Nach der Umstellung aller Redaktionen auf «Mobile First» legte das Qualitätsmonitoring dieses Jahr ein Schwergewicht auf diese neue Produktionsweise. Während jeweils einer Woche wurden alle Eigenleistungen untersucht, die gemäss dieser Produktionsweise zuerst online und mobile publiziert werden, dies bedingt für die Newsmedien drei oder vier relevante Aufmacher pro Tag.
Eine besondere Stärke: Das Recherchedesk
Eine Expertin und verschiedene Experten monierten, dass diese Produktionsweise zwar technisch gut umgesetzt wird, aber noch nicht überall zu einem neuen Denken geführt hat. Oft sind es Printbeiträge, die vor dem Druck vorgängig online aufgeschaltet werden, zu selten noch digitale Beiträge mit eigenem Storytelling, das die Stärken dieser Kanäle nutzt. Verschiedentlich war aus Sicht einer Expertin auch zu wenig erkennbar, wie sich ein Thema im Zusammenspiel zwischen Mobile und Print weiterentwickelt. Die Printausgaben vermochten aber insgesamt gut zu bestehen; teilweise wurden indessen Produktionsschwächen festgestellt, die wohl damit zusammenhängen, dass die Redaktorinnen und Redaktoren die meisten Texte inzwischen selber produzieren und ihnen dafür teils noch die Routine fehlt (Widerspruch zwischen Titel und Bild, unlogische Abfolge der Einleitungen).
Als besondere Stärken wurden die investigativen Beiträge des Tamedia-Recherchedesks hervorgehoben, das mit neuen Fakten verschiedentlich die Themenführerschaft zu wichtigen aktuellen Fragen innehatte: Corona-Krise, Crypto-Affäre, Bundesanwalt, Zürcher Unispital, Rechtsextremismus, Femizide, Fluchtgelder in Genf u.a. Daneben lobten die Experten die Lesernähe der Tamedia-Zeitschriften und -Regionalmedien mit ihrem grossen Serviceangebot. Dabei wäre aus Sicht eines Experten mehr kritische Distanz gegenüber dem Mainstream professioneller Finanzanalysen wünschbar. Bei den Politikthemen zeigte sich bei einem Regionalmedium eine starke Konzentration auf Politics (Politikverfahren, Konflikte), deutlich nachrangig wurde auf Policy (Politikinhalte) und Polity (Systemzusammenhänge) eingegangen.
Corona dominierte alles
Das alles dominierende Thema im ersten Covid-19-Jahr führte während der beiden Lockdowns von Frühjahr und Winter zu einem starken Anstieg der Nutzerzahlen in den Digitalmedien. Das Qualitätsmonitoring kam insgesamt zum Schluss, dass die Tamedia-Redaktionen mit hoher Kadenz zu diesem Thema berichteten und dabei eine gute Mischung von vermittelnder und behördenkritischer Berichterstattung boten. Etwas zu kurz kam aus Expertensicht dabei das lockere Kontrastprogramm zur Häufung der durch die Aktualität gesetzten Negativmeldungen (Pandemie, Klimakatastrophe, internationale Rückschlägen für die Demokratie).
Positiv fiel auf, dass die anonymen Quellen in den Beiträgen seltener geworden sind (und wenn verwendet, dann korrekt zur Stützung von Fakten statt Meinungen). Im multimedialen Angebot fiel auf, dass die Tamedia-Redaktionen verschiedene Podcasts ausbauten, die Analyse mit Unterhaltung kombinieren (beispielhaft etwa «Die dritte Halbzeit» der Sportredaktion). Die Interaktion mit Lesern und Nutzerinnen ist aus Sicht der Expertinnen und Experten noch ausbaubar, etwa durch Eingehen auf Themenwünsche aus dem Leserkreis oder durch die Beteiligung unserer Autorinnen und Autoren an substanziellen Debatten nach einem Beitrag. Der Qualität dieser Debatten wäre förderlich, wenn Kommentare unter Pseudonymen nicht mehr aufgeschaltet würden.
Der Tamedia-Qualitätsreport 2020 ist nachlesbar auf https://www.tamedia.ch/de/unternehmen/qualitaetsreport.
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