Corona-Bilanz eines Politologen«Wir alle – ausser die Virologinnen und Virologen! – haben das Virus völlig unterschätzt»
Der Berner Politologe Markus Freitag hat quer durch Europa 18’000 Menschen zur Corona-Krise befragt. Im Interview verrät er, was er über die Stimmung in der Schweiz und anderswo erfahren hat.

Herr Professor Freitag, Sie führen seit Beginn der Pandemie Befragungen in europäischen Ländern durch, deren Ergebnisse noch nicht veröffentlicht wurden. Können Sie uns bereits etwas verraten?
Wir haben im vergangenen Jahr über 18’000 Menschen in Deutschland, Frankreich, Italien, Grossbritannien, Spanien und der Schweiz befragt. Unter anderem sind wir daran interessiert, wie wir als Menschen durch die Pandemie kommen. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere Gewissenhaftigkeit uns vor dem Virus schützt. Menschen mit den Wesenszügen «pflichtbewusst» und «zuverlässig» berichten von weniger Ansteckungen, fordern härtere politische Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie und zeigen weniger Nachsicht gegenüber denjenigen, die gegen die Regeln zur Bekämpfung des Virus verstossen. Menschen mit dem Wesenszug «extrovertiert» hingegen setzen sich eher über diese Regeln hinweg und räumen tendenziell mehr Ansteckungen ein. Sie könnten zum Brandbeschleuniger kommender Wellen werden.