Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Trainer-Aus bei PSG
Wie Tuchel den Vorwand zu seiner Entlassung gleich selbst servierte

Der Deutsche hatte sich zuletzt über fehlende Wertschätzung in Paris beklagt.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Es war ja nur eine Frage der Zeit gewesen, die Zerrüttung schon weit fortgeschritten, unrettbar: Thomas Tuchel ist nicht mehr Trainer von Paris Saint-Germain. «C’est fini», schreibt «L’Équipe» mit der lakonischen Fassung eines lange erwarteten Vollzugs. Es ist vorbei.

Und wenn man nun dennoch von einer Überraschung spricht, dann nur wegen des präzisen Zeitpunkts – zu Weihnachten, nach einem 4:0 über Strassburg. Tuchels Vertrag wäre im kommenden Sommer ohnehin ausgelaufen – sechs Monate, das hätte man doch noch erdulden können. Mit dem Sportdirektor von PSG, dem Brasilianer Leonardo, war das Klima aber dermassen schlecht geworden, dass jeder Vorwand gut genug war für eine schnelle und – die Anspielung sei erlaubt - irgendwie unchristliche Trennung.

Den Vorwand servierte Tuchel mit seinem Interview im deutschen Sender Sport 1 gleich selbst. Vor dem Spiel gegen Strassburg hatte das so viel zu reden gegeben, dass sich TT nach dem Spiel länglich erklären musste.

Zu wenig Anerkennung?

Zentral waren zwei Passagen. Eine handelte davon, dass der Coach bedauerte, wie wenig Anerkennung seiner Mannschaft (und ihm) zuteilwird, obschon sie doch in der vergangenen Saison «fast alles» gewonnen hat. Da hat er natürlich recht: PSG gewann den Meistertitel in der Ligue 1, die beiden französischen Pokalwettbewerbe, und in der Champions League brachte man es bis in den Final gegen den FC Bayern.

Und trotzdem habe man nie das Gefühl gehabt, sagte Tuchel, dass die Leute die Leistungen schätzten. Das stimme manchmal etwas traurig und bitter. Die Erwartungen seien einfach extrem. Es heisse immer, die haben Di María, Mbappé und Neymar: «Da ist es normal, dass sie in Bordeaux gewinnen.»

Muss man mit solchen Spieler-Stars immer siegen können?

In der zweiten Passage mit einigem Aufregerpotenzial reflektierte Tuchel die Rolle, die einer als Trainer von PSG habe. In den ersten sechs Monaten habe er sich gefragt, ob er nun ein Trainer sei oder eher ein Sportpolitiker, ein Sportminister – «was ist meine Rolle als Trainer in einem solchen Verein?». Nach dem Meisterschaftsspiel gegen Strassburg sagte er dann, das sei «ein Witz auf Deutsch» gewesen. «Aber die Übersetzung war nicht korrekt, die Stelle war auch nicht autorisiert.» Ein dummes Missverständnis zum Schluss? Lost in translation?

Im Rückblick lässt sich sagen, dass Tuchels Engagement in Paris trotz offensichtlicher Erfolge, trotz der Titel und Trophäen und des grossen Erlebnisses beim Final Eight in Lissabon mit dem plötzlich entdeckten Kollektivsinn eines Teams aus hoch bezahlten Individualisten am Ende ein grosses Missverständnis war.

Spielidentität fehlte bis zum Schluss

Als die katarischen Besitzer von PSG 2018 den früheren Coach des BVB nach Paris holten, hofften sie, dass der seinem Ruf alle Ehren machen würde und – unbeeindruckt von grossen Namen – dem Team einen tollen, modernen Fussball beibringt, der sie endlich ganz an die Spitze hebt: an die einzige, die zählt, nämlich an die europäische. Seit 2011 jagen der katarische Emir und seine Emissäre dem Ziel nach, die Königsklasse zu gewinnen. Alles andere ist Beigemüse.

So nahe wie Tuchel kam dem Ziel noch kein Trainer der katarischen Ära, weder Carlo Ancelotti noch Laurent Blanc, auch Unai Emery nicht. Und doch war man nie wirklich zufrieden. Tuchel gelang es nicht, der Mannschaft eine Spielidentität zu geben, sie war selten spektakulär. Am Ende entschied oft die Einzelklasse der Superstars, von einem orchestrierten Ensemble spürte man nicht viel.

Auch seine Führungsqualitäten gerieten schnell in Zweifel: Die Weltprominenz in der Umkleide schwebte immer einige Sphären über ihm, so jedenfalls machte es den Eindruck. Zuweilen zeigten die Spieler ihren Unmut recht unverblümt.

Richtig prekär wurde Tuchels Lage aber im Sommer 2019, als die Katarer Leonardo nach Paris zurückholten, wieder einmal. «Leo» spielte früher für PSG, als der junge Verein noch mehrheitlich fussballerische Provinz war – Provinz in der sonst schon provinziellen Ligue 1. Der alte und neue Sportdirektor verstand sich nie mit Tuchel, da gerieten zwei Welten aneinander.

Waren sich selten einig: Tuchel und Leonardo.

Leonardo ist seit seiner Zeit bei der AC Milan eng mit dem Calcio verbunden: Die meisten Transfers in seinem ersten und nun auch in seinem zweiten Mandat als «Directeur sportif» tätigt er im italienischen Fussballmarkt. Über den jüngsten Mercato war Tuchel alles andere als glücklich und tat das auch öffentlich kund, was nicht eben zur Klimaverbesserung beitrug.

Nach dem verlorenen Final in der Champions League liess PSG einige verdiente Stützen ziehen, unter anderem den Captain und Abwehrchef, den Brasilianer Thiago Silva, zudem Mittelstürmer Edinson Cavani und den Aussenverteidiger Thomas Meunier. Tuchel fand, die Italiener Alessandro Florenzi, Moise Kean und Last-Minute-Verpflichtung Rafinha machten den Verlust in keiner Weise wett. Die zwei Rivalen trafen sich zur Aussprache, doch es gab wohl schon nichts mehr zu kitten.

Wer kommt jetzt an die Seitenlinie?

Seither hiess es in den französischen Medien, Tuchel werde seinen Vertrag wohl zu Ende bringen, weil man sich kein zweites Trainersalär leisten wolle in der Krise. Verlängert würde der Vertrag aber ganz sicher nicht, egal, was noch komme.

Und was kam, war beileibe nicht berauschend. PSG ist derzeit Dritter der Ligue 1, einen Punkt hinter Lyon und Lille. In der Champions League konnten sich die Pariser zwar für den Achtelfinal qualifizieren, am Ende sogar als Gruppenerster, aber dennoch nur mit Mühe. Und nun steht der FC Barcelona an, einmal mehr. Die Erinnerungen an 2017, an jenes memorable, monumentale 1:6 im Camp Nou, hallt noch immer nach.

Der Emir in Doha soll sich damals einen Moment lang überlegt haben, ob er dieses teure Abenteuer hinschmeissen sollte. Eineinhalb Milliarden Euro haben die Katarer bisher allein für spielendes Personal ausgegeben.

Als möglicher Nachfolger von Tuchel wird der Argentinier Mauricio Pochettino gehandelt, der früher Tottenham Hotspur coachte und es mit den Londonern ebenfalls bis in den Final der Champions League schaffte, 2019. Das glauben wenigstens die italienische «Gazzetta dello Sport», die dann und wann von Leonardo exklusiv informiert wird, und «L’Équipe» – unisono.

Mauricio Pochettino wird als Nachfolger gehandelt.

Auch Pochettino war einmal Spieler bei PSG, Verteidiger, lange her. Herumgereicht wird jetzt auch der Name von Massimiliano Allegri, dem ehemaligen Trainer von Juventus Turin. Zu beneiden ist keiner, der den Job dann mal erhält: Unter vier Trophäen ist alles nichts, und eine davon muss der Henkelpott sein.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.