Blick hinter die KulissenWie lässt sich mit Podcasts eigentlich Geld verdienen?
Ein Drittel der Schweizerinnen und Schweizer hört regelmässig Podcasts, Tendenz steigend. Was heisst das für Publikum und Macher?

Meistens wird es honigsüss und dementsprechend klebrig, wenn Podcasterinnen und Podcaster sich in ihren Shows gegenseitig grüssen. Die Kolleginnen und Kollegen werden dann als «hochgeschätzt» apostrophiert, noch lieber als «wunderbar» oder «einzigartig», und ein Satz darf niemals fehlen: «Ich hoffe, er oder sie hört zu!»
So gesehen fühlte es sich ganz erfrischend an, als kürzlich der Moderator und Podcaster Jan Böhmermann («Fest & Flauschig») und die Comedian und Podcasterin Hazel Brugger («Nur verheiratet») wenigstens ein kleines bisschen aneinandergerieten. Böhmermann hatte in einer Showfolge einen scherzhaften Aufruf gestartet: Paare, die in toxischen Beziehungen lebten, sollten sich bitte bei ihm melden. «Wenn man eine toxische Beziehung hat», sagte er, «gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man macht einen Podcast zusammen – oder man trennt sich.»
Gerangel um Talente und Deals
Brugger war überzeugt, dass dies als Spitze gegen sie gemeint sei. Sie moderiert einen von der Plattform Spotify produzierten Podcast, in dem sie mit ihrem Mann Thomas Spitzer die Ehe diskutiert. Spotify hatte kurz vorher angekündigt, die Reihe nach vier Staffeln einzustellen. Womöglich doppelt enttäuscht liess Brugger sich zu einem säuerlichen Instagram-Beitrag hinreissen, in dem sie Böhmermann konfrontierte. «Gerne versuche ich auch, die Beziehung zwischen euch zu verbessern», schrieb sie ihm und seinem Duopartner Olli Schulz, «sofern eure Sicherheitskräfte dies zulassen.»
Also doch: Spätestens jetzt ist im Podcast-Geschäft auch im deutschsprachigen Raum ein Hauch von echtem, glitzerkörnigem Showbusiness zu spüren, mitsamt Gossip und Eifersüchteleien, Blockbuster-Neustarts und kontrovers abgesetzten Shows, Gerangel um Talente und Deals. Das hätten die fleissigen Pioniere sicher nicht gedacht, als sie vor gut 15 Jahren die ersten, noch liebevoll handgeschnitzten Science-Fiction- oder Netzwelt-Monologe hochluden.
Gemäss dem IGEM-Monitor hören in der Schweiz 2,6 Millionen Menschen Podcasts, also knapp 30 Prozent der Bevölkerung. 20 Prozent tun das wöchentlich.
Ein spürbarer Trend: verstärkte Begleitung von Podcasts mit Video.
«Der deutschsprachige Markt hat sich weiter professionalisiert», sagt Sebastian Romanus, deutscher Geschäftsführer von Podimo, einer der wichtigsten Plattformen, die über zahlungspflichtige Abos funktionieren. «Nicht nur, was die Qualität der Produktionen betrifft. Auch die Strukturen sortieren sich immer klarer. Wo vor ein oder zwei Jahren noch eine gewisse Wildwest-Atmosphäre herrschte, gibt es jetzt eine definierte Landschaft aus Plattformen, Produktionsfirmen und Vermarktern.»
Von aussen betrachtet sieht diese Topografie noch immer wie ein komplexes Flechtwerk aus. Grosse Plattformen wie Spotify, Apple Music oder Amazon Music vertreiben viele ihrer Eigenproduktionen offen, also so, dass man sie (inklusive eingespielter Werbung) auch über kostenlose Podcast-Apps wie Overcast oder AntennaPod hören kann. Bestimmte Shows dagegen werden als exklusive Köder benutzt, für die das Publikum sich einloggen muss. «Fest & Flauschig» und «Gemischtes Hack» bei Spotify zum Beispiel.
Die «Drachenlord»-Serie gab es zunächst nur scheibchenweise gratis, mehrere Folgen auf einmal bekam man erst nach Anmeldung beim neu gestarteten Dienst RTL+ Musik. Wie die Portale ihre Türpolitik gestalten, welche Inhalte sie als frei verfügbares Edelradio hergeben und welche als knallharte Markenbindungsware, bleibt eine Wette.
«Interaktivität wird wichtiger werden.»
Ein spürbarer Trend sei die verstärkte Begleitung von Podcasts mit Videobildern, sagt Saruul Krause-Jentsch, als Head of Studios verantwortlich für die deutschen Podcasts beim Marktführer Spotify. «Auch Interaktivität wird wichtiger werden», sagt sie. Vor allem jüngere Shows setzen Umfragen und Frage-Antwort-Formate ein, machen einen Sport daraus, das Publikum zur Abgabe von Bewertungssternen anzustacheln.
Das Dialogische könnte die Podcastkultur aufs nächste Level heben, sagt Krause-Jentsch: «Ein Level, auf dem wir Communitys bilden und direkt mit dem Publikum kommunizieren.» In einigen Märkten setzt Spotify zudem sogenannte Call-to-Action-Cards ein, die es der Hörerschaft erlauben, die Produkte aus den Audiospots unmittelbar zu bestellen. Also: ohne allzu lange darüber nachzudenken zu müssen.
Die Antwort darauf, wo es in mittelfristiger Zukunft hingehen wird für die Plattformen hat überhaupt viel mit Werbung zu tun. Es gab eine Welle an Shows von Influencer-Persönlichkeiten, die sich ihre Followerschaften schon auf Youtube, Instagram oder Twitch erspielt haben. Für die Audiobranche wäre es ein ökonomischer Durchbruch, wenn sich das Medium Podcast im Influencermarketing als Standard etablieren würde, den Beauty- und Game-Stars mit vergleichsweise wenig Aufwand noch schnell miterledigen können.
Ob die Influencer dranbleiben, hängt davon ab, ob es sich lohnt.
Allerdings: Dafür muss er sich lohnen. «Nur wenn die Creatorinnen und Creator die Möglichkeit haben, Geld mit dem Podcasten zu verdienen, werden wir weiterhin spannende Formate und Innovationen aus allen Richtungen sehen», sagt Krause-Jentsch. Anders gesagt: Ob die Influencer dranbleiben, hängt davon ab, welche attraktiven Werbepakete die Plattformen ihnen anbieten können.

«Man hat schon gemerkt, dass die Budgets zuletzt deutlich in die Höhe gingen, die in den Podcast-Werbemarkt investiert wurden», sagt Fabio Bacigalupo, der 2006 das Onlineverzeichnis Podcast.de ins Leben rief und heute unter anderem den Dienstleister Podcaster.de leitet. Lange Jahre war es Usus, dass die Werbung von den Podcastern selbst ins Mikro gelesen wurde. Heute sei es technisch kein Problem mehr, fertige Spots dynamisch in die Shows einzuspielen – also so, dass Algorithmen zielsicher die Werbung auswählen, die am besten zum individuellen Hörenden passt. Zum Alter, Wohnort, Datensatz.
Netflix verspricht Weltflucht, Podcasts hingegen die doppelte Dosis Gegenwart.
«Vielen Agenturen, die die Budgets verwalten, war das Prozedere früher auch schlicht zu kompliziert und aufwendig», sagt Bacigalupo. «Seit sie einfach in grosse Systeme hineinbuchen können, gingen die Summen nach oben.» Das Szenario, dass künstliche Intelligenzen bald die Werbespots automatisch mit der Stimme des Podcasters generieren und als bestens bezahlte Deepfakes in den Audiostream hineinsetzen könnten, hält er für realistisch. Mit solchen Modellen wird an manchen Orten bereits lustig herumgespielt.
Und selbst für eine an sich anzeigenfreie, rein durch Abogebühren finanzierte Plattform wie Podimo sei es nicht ausgeschlossen, draussen vor der Paywall mal ein Experiment mit Werbebotschaftern zu probieren, meint Chef Sebastian Romanus. 2022 startete sein Dienst unter anderem Shows mit Thriller-Vielschreiber Sebastian Fitzek und den Influencerinnen Dagi Bee und Tina Dzialas, holte die Eheleute Oliver und Amira Pocher an Bord.

«Ich glaube, dass es in der Zukunft verstärkt um Qualität statt Quantität gehen wird», sagt er, wenn man ihn um sein persönliches Orakel bittet. «Die simple Gleichung, dass Creatorinnen und Creator ihre hohen Social-Media-Reichweiten automatisch ins Podcastformat konvertieren können, stimmt einfach nicht. Wenn es keinen inhaltlichen Mehrwert oder ein tolles Konzept gibt, werden die Leute sich das nicht anhören.»
Das ist der Unterscheid zu Netflix: Während Serien meist Weltflucht bedeuten, will man von Podcasts lieber die doppelte Dosis Gegenwart. Eskapismus klickt hier nicht wirklich. Wir brauchen etwas Besseres.
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