Akustische Bodenforschung Wie die Erde klingt
Es knackt, knistert, scharrt und quietscht: Spezielle Mikrofone machen das Leben im Erdreich hörbar. Doch Regenwürmer, Insekten und Pilze im Untergrund sind zunehmend durch die starke landwirtschaftliche Nutzung bedroht.

«In einer Handvoll Erde gibt es mehr Lebewesen als Menschen auf der Welt», sagt Marilena Schumann von Sounding Soil (zu Deutsch: tönende Erde), bei dem verschiedene Wissenschaftseinrichtungen und die Zürcher Hochschule für Künste zusammenarbeiten. Ihre Mikrofone zeichnen Frequenzen nah am menschlichen Hörspektrum auf. Solche Frequenzen werden vor allem von Insekten und Regenwürmern verursacht.
Darüber hinaus lebt im Boden eine Vielzahl von Pflanzen, Pilzen und Kleinstlebewesen wie Bakterien, von denen man auch mit dem Mikrofon nichts mitbekommt. Auch grössere Tiere wie Maulwürfe oder Mäuse zeichnen die Forscher des Projekts nicht auf; sie würden die Geräte übersteuern, vermutet Schumann. Sicher aber ist: All die Lebewesen zusammen produzieren jene Erdschicht, aus der unsere Lebensmittel wachsen. Viel Bewegung spricht daher für einen fruchtbaren Boden.
Jeder Boden hat seinen eigenen Klang.
Um ein Gefühl für diese Vielfalt zu vermitteln, präsentiert Sounding Soil an öffentlichen Orten Blumenwiesen, Waldböden, Kompost und Äcker. Jeder Boden hat seinen eigenen Klang. Es knackt, knistert, scharrt und quietscht. Nicht alle Geräusche können die Wissenschaftler zuordnen, die Urheber des Quietschens aber haben sie bereits identifiziert: Es sind Ameisen.
Laut einer internationalen Studie von 2017 sind weltweit 68 Millionen Hektar Land von Verdichtung betroffen. Ursache ist der Einsatz grosser Maschinen in der Landwirtschaft. Rollen sie über die Felder, komprimieren sie den Grund bis in tiefere Schichten hinein. Dadurch versickert das Wasser nicht mehr richtig, sondern fliesst stattdessen oberirdisch ab – und schwemmt dabei die Ackerkrume mit, die oberste, fruchtbare Schicht des Bodens. In einen stark verdichteten Boden leben zum Beispiel auch Regenwürmer, die erheblich zur Qualität des Bodens beitragen.
Der «Puffer» ist fast aufgebraucht
Ein weiteres Problem ist, dass es heute phasenweise deutlich weniger als früher regnet, in anderen Phasen dafür aber umso mehr. Je gesünder der Boden, desto besser federt er solche Schwankungen ab. «Er ist unser Puffer», sagt Karl Auerswald, Professor für Grünlandlehre an der TU München. Wenn es regnet, sickert das Wasser in tiefere Bodenschichten ein und wird dort gespeichert. In trockenen Zeiten wird es dann wieder abgegeben. Doch der Wissenschaftler warnt: «Wir haben diesen Puffer schlecht behandelt, obwohl wir ihn gerade für den Klimawandel dringend bräuchten.»
Zur Verdichtung kommen Entwicklungen wie die Bodenversiegelung durch Besiedlung, die Drainage der Landschaft durch Strassen und die Trockenlegung natürlicher Feuchtgebiete. Der Boden leidet im Prinzip seit 200 Jahren. In den letzten Jahrzehnten haben die Probleme aber stark zugenommen. All diese Probleme besser zu erkennen, zu verstehen und erfahrbar zu machen, ist auch ein Ziel der Öko-Akustik. 2018 untersuchten Forscher der ETH Zürich beispielsweise die Geräusche des Bodens im Labor. Dabei wiesen sie nicht nur die Klänge grabender Regenwürmer nach, sondern sogar die von Wurzeln, die sich in ein sandiges Substrat bohrten.
Auch die Verdichtung könnte womöglich hörbar gemacht werden. Denn Verdichtung führt zu Bewegung von Erdpartikeln. Das Prinzip wäre das gleiche wie bei Würmern und Pflanzen, deren Geräusche ebenfalls durch Reibung entstehen. Doch die Forschenden stehen bisher noch vor der grossen Aufgabe, die verschiedenen Geräusche zu identifizieren und deren Urheber klar zuzuordnen.
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