Indischer Lockdown verschärft EngpässeWeltweites Beben bei Medikamenten bahnt sich an
Die Pharmafabriken in Indien sind noch wichtiger als jene in China. Fallen sie aus, werden die Wirkstoffe bei uns noch knapper.

Rund 40 Prozent der Wirkstoffe für unsere Medikamente kommen aus Indien. Vor allem die Hersteller von günstigen Nachahmermedikamenten beziehen ihre Substanzen von dort. Dazu zählen gängige Schmerz- und Fiebermittel wie Paracetamol sowie wichtige Antibiotika. Indische Fabriken sind dabei meistens die Veredler von chinesischen Vorprodukten – zusammen mit China dominiert Indien den Pharmawirkstoffmarkt mit 80 Prozent. Fällt Indien wegen des Lockdowns nun aus, wird die Knappheit wichtiger Medikamente bei uns deutlich steigen. Auch wenn Chinas Chemiefabriken wieder laufen, nützt das nichts, wenn diese Substanzen in Indien nicht weiterverarbeitet werden können. Ein Beben auf dem Medikamentenmarkt bahn sich an. «Der Produktionsausfall in Indien wird uns mehr zu schaffen machen als jener in China», sagt Axel Müller vom Schweizer Verband Intergenerika.
«Den Höhepunkt des Versorgungsausfalls werden wir im dritten Quartal spüren.»
«Den Höhepunkt der Versorgungsengpässe werden wir im dritten Quartal bei Antibiotika und Schmerzmitteln spüren, wenn Lagervorräte zur Neige gehen», warnt Müller. Der Lieferunterbruch dürfte deutlich länger ausfallen. Ausserdem ist der indische Staat bei Exportstopps weniger zimperlich, als dies die Handelsmacht China war. Schon vor dem Corona-Ausbruch im eigenen Land hatte Indien den Export von wichtigen Wirkstoffen verboten. Das Land sichert sich so neben Basismedikamenten auch die Substanz Hydroxychloroquine, der eigentlich für ein Malariamittel verwendet wird, aber als grösster Hoffnungsträger gegen Covid-19 gilt. Wenn sich das Medikament nun in Tests tatsächlich als wirksam herausstellen sollte, dürfte es für den Westen sehr schwierig werden, an genügend Dosierungen zu gelangen.

Vor allem für Entwicklungsstaaten wird es aber auch bei anderen Substanzen knapp. Denn in normalen Zeiten ist Indien die Apotheke der Armen. Der Staat produziert weltweit die meisten günstigen Generika. Das Besondere dabei: Indien liefert in zwei unterschiedlichen Qualitäten. «Für die regulierten Märkte wie Europa oder die USA werden sie von den Behörden geprüft und abgenommen. Für die unregulierten Märkte in Asien und Afrika dagegen ist dies weniger der Fall», erklärt Müller. Von dem jetzigen Produktionsausfall sind aber beide Qualitäten betroffen.
Patienten in armen Staaten werden aber stärker unter dem Lockdown leiden. Denn sie haben noch weniger Medikamentenvorräte am Lager und können sich auch keine teureren Alternativen leisten.
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