Japans Regierungschef tritt abWeil er geht, macht die Börse einen Freudensprung
Wegen seines scharf kritisierten Corona-Kurses gibt Regierungschef Suga als LDP-Chef auf. Damit sind auch seine Tage als Ministerpräsident gezählt – und die Wirtschaft jubiliert.

Dass in der japanischen Regierungspartei LDP etwas Bedeutendes passieren würde, hatte sich in dieser Woche angekündigt. LDP-Präsident und Premierminister Yoshihide Suga hatte für Anfang nächster Woche einen Umbau der Parteiführung angekündigt. Der mächtige, greise Generalsekretär Toshihiro Nikai (82) habe schon zugestimmt, seinen Posten zu verlassen, berichteten japanische Medien. Dass Suga bei dem Umbau dann bei sich anfangen würde, war nicht abzusehen – im Gegenteil: Der vorgesehene Personalwechsel wirkte wie ein verzweifelter Versuch Sugas, vor der parteiinternen Präsidentenwahl am 29. September seine murrende Partei hinter sich zu bringen.
Und nun also das: Am Freitag teilte Suga dem LDP-Vorstand mit, er werde nicht wieder kandidieren. «Ich wollte eigentlich antreten», sagte er anschliessend zu Reportern, «aber die Covid-19-Bekämpfung und die Wahl gleichzeitig würden zu viel Energie kosten.» Deshalb habe er entschieden, sich auf die Anti-Corona-Massnahmen zu konzentrieren, so der Noch-Regierungschef. Yoshihide Suga macht damit letztlich auch Platz für einen neuen Premier. Denn in Japans Politik wird der Präsident der Regierungspartei auch Chef der Regierung, über die noch in diesem Herbst bei den Unterhauswahlen abgestimmt wird.
Matte Ausstrahlung, abgelesene Erklärungen
Der Rückzug passt zur allgemeinen Lage im Inselstaat. Das Management der Corona-Krise ist derzeit in Japan wichtigster Massstab für gutes Regierungshandeln. Und in dieser Hinsicht war Suga nicht erfolgreich. Die Olympischen und Paralympischen Spiele hatte sein Kabinett gegen diverse Expertenmeinungen und gegen alle Trends in Umfragen durchgeboxt, ohne Zuschauer, Flair und hinter hohen Zäunen.
Suga hat in diesem Jahr schon mehrere Male den Notstand ausgerufen und verlängert. Aber die nächste Krise bekam er nicht in den Griff: Die fünfte Corona-Welle setzt das Gesundheitssystem immer noch unter Druck. Sugas matte Ausstrahlung, seine abgelesenen Erklärungen, ausweichenden Antworten haben seinem Ansehen nicht genutzt. Bei diversen Regional- und Parlamentswahlen hatte die LDP zuletzt schlecht ausgesehen. Sogar die Bürgermeisterwahl in Yokohama hat die Partei verloren – dort liegt Sugas Wahlkreis.
Yoshihide Suga (72) übernahm im September 2020 die Führung der LDP und kam so letztlich an die Regierungsspitze. Davor war Shinzo Abe aus gesundheitlichen Gründen überraschend zurückgetreten. Suga war Abes Chefkabinettssekretär gewesen. Mit ihm kam die leibhaftige Fortsetzung des rechtskonservativen, sehr wirtschaftsfreundlichen Abe-Kurses an die Macht. Suga galt als beliebter Neuankömmling – mit mehr als 60 Prozent Zustimmung in den Umfragen.
Das hat sich geändert. Eine Erhebung der Nachrichtenagentur Kyodo stellte im August fest, nur noch 31,8 Prozent der Befragten seien zufrieden mit dem Kabinett. Als Suga am Freitag seinen Rücktritt ankündigte, machte der Nikkei-Index an der Tokioter Börse einen Satz nach oben. Es sah aus wie ein Freudensprung der japanischen Wirtschaft. Grund: «Hohe Erwartungen, dass eine neue Regierung Wirtschaftsmassnahmen einführt gegen die Corona-Folgen», analysiert der private Wirtschaftsstratege Maki Sawada.
Die alten internen Machtklüngel leben weiter
Toshihiro Nikai, Nummer zwei der LDP, sagte, er sei «ehrlich gesagt überrascht». Und fügte hinzu: «Wir möchten die Überlegungen des Präsidenten akzeptieren und bei der künftigen Führung der Partei berücksichtigen.» Seine eigene Ablösung könnte damit vom Tisch sein, was kein Beitrag zur Verjüngung der Partei wäre, sondern die alten internen Machtklüngel stärken würde. Der Sender NHK berichtete, Suga habe angedeutet, es werde keinen neuen Parteivorstand geben. Wenn Nikai im Amt bleibt, wäre er sicher wieder die Schlüsselfigur auf der Suche nach Sugas Nachfolger. Nikai sagte, Suga habe keinen Nachfolger benannt. Die Präsidentenwahl finde am 29. September wie geplant statt.
Ex-Aussenminister Fumio Kishida (64), bei der Wahl vor einem Jahr von Suga bezwungen, will wieder antreten.
Immerhin, es gibt schon Kandidaten für die Wahl des neuen LDP-Chefs. Ex-Aussenminister Fumio Kishida (64), bei der Wahl vor einem Jahr von Suga bezwungen, will wieder antreten. Zuletzt stellte er einen Plan vor, wie er Japans Wirtschaft aus der Corona-Krise leiten möchte. Kishida versprach mehr Transparenz und «zweistellige Billionen-Yen-Summen». Sanae Takaichi (60), einst Ministerin für Allgemeine Angelegenheiten und Ex-Premier Abe nahestehend, war bisher auch fest entschlossen, sich um die Parteispitze zu bewerben. LDP-Chefstratege Hakubun Shimomura hatte seine Kandidatur eigentlich schon zurückgezogen, aber sagte nun: «Die Lage hat sich verändert.» Er wolle sich mit Parteifreunden beraten.
Fehler gefunden?Jetzt melden.