Lesende fragen Peter SchneiderWas tue ich vor streitenden Paaren?
Elegant überhören oder direkt vermitteln? Unser Kolumnist erklärt, wie man als peinlich berührter Dritter am besten reagiert.

Was tue ich, wenn ich bei einem befreundeten Paar zu Besuch bin, und sie streiten sich? Es ist ja kaum je ein eskalierender Streit, aber eine Seite nervt die andere an, lässt spitze Bemerkungen fallen. Versuche ich die Situation mit einer lustigen Bemerkung zu entspannen? Oder versuche ich, es mich nichts angehen zu lassen, halte den Moment, der ja irgendwann nach der Vorspeise auch vorübergeht, einfach aus? Oder gehe ich mit einer «ernsthaften» Bemerkung auf das Gehörte ein? T. R.
Liebe Frau R.
Es ist keine feine Art, sich vor Gästen anzugifteln. Aber jede*r hat mal einen schlechten Tag. In diesem Fall ist es klug, sich nichts anmerken zu lassen, insbesondere, wenn die miese Stimmung schon nach der Vorspeise wieder verflogen ist. Anders sähe die Angelegenheit aus, wenn Sie den Eindruck hätten, als Publikum eingeladen worden zu sein. Man spürt die Absicht (eine Zeugin dafür zu haben, wie unmöglich der jeweils andere des Paares ist) und ist zu Recht verstimmt. In diesem Falle wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn Sie sich zügig nach dem Dessert verabschiedeten, gerne auch mit einem fadenscheinigen Grund.
Schwurbeln Sie nicht, reden Sie Tacheles!
Wenn es sich bei dem streitenden Paar zudem um Wiederholungstäter*innen handelt, wäre es Ihnen auch nicht zu verdenken, Einladungen gar nicht erst anzunehmen, bei denen Sie als Schiedsrichterin missbraucht werden. Wechselseitige Sticheleien und gegenseitiges Runtermachen schlagen auf Gemüt und Verdauungstrakt. Das müssen Sie sich nicht antun.
Wenn es sich bei dem Paar um gute Freunde handelt, deren Wohlergehen Ihnen am Herzen liegt, ist allerdings noch ein anderes Szenario denkbar, bei dem Sie zwar als Laien-Paartherapeutin agieren müssen – aber was tut man nicht alles für seine Freunde. In diesem Fall ist die Ernste-Bemerkung-Variante durchaus angebracht. Sagen Sie aber bitte nicht «Ich spüre eine Spannung. Was kann ich dazu beitragen, damit es euch als Paar wieder besser geht» oder einen ähnlichen Schwurbel aus ressourcenorientierten Ich-Botschaften, sondern reden Sie Tacheles.
Nun gibt es wiederum zwei Möglichkeiten: Entweder es nützt oder nicht.
Dafür reicht schon die Frage aus, was denn eigentlich los sei; dieses Gezänk sei schlecht auszuhalten. Nun kann zweierlei geschehen. Entweder Sie haben das «Gechifel» fälschlicherweise als Schrei nach freundschaftlicher Hilfe gedeutet, und die beiden werden Sie eher erschrocken anschauen, sich entschuldigen und hoffentlich für den Rest des Abends besser benehmen.
Oder aber die zwei greifen Ihren Gesprächsvorschlag auf, und Sie dürfen (vorsichtig) Ihren Senf zum Konflikt beitragen – nicht allzu parteilich, aber auch nicht enervierend ausgleichend, sondern zurückhaltend ehrlich. Nun gibt es wiederum zwei Möglichkeiten: Entweder es nützt oder nicht.
Der Psychoanalytiker Peter Schneider beantwortet Fragen zur Philosophie des Alltagslebens. Senden Sie uns Ihre Fragen an gesellschaft@tamedia.ch.
Fehler gefunden?Jetzt melden.