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Höhenflug mit Maurizio Jacobacci
Was ein Porsche über den Arbeitersohn verrät

Weit herumgekommen: Maurizio Jacobacci war schon bei siebzehn Vereinen Trainer, jetzt treibt er Lugano zu Höchstleistungen an.
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Die neue Saison war erst eine Runde alt, da lag Maurizio Jacobacci schon flach. Zwei Tage lang hatte er 40 Grad Fieber, dann verschwand es wieder. Corona hatte er nicht, er vermutet, dass Anstrengung der Grund war.

Manchmal hilft es, ein Sportler zu sein: Sportler lernen, positiv zu denken. Und das macht auch Jacobacci an diesem Tag in Bellinzona. «Ich sage mir: An diesem Virus sterbe ich nicht», sagt er, «ich würde zugrunde gehen, wenn ich negativ wäre. Ich will so gut wie möglich durchs Leben kommen, so prekär die Situation auch ist.»

Am kommenden 11. Januar wird er 58. Sein ganzes Leben hat er im Fussball verbracht, zuerst als Spieler und seit über 25 Jahren als Trainer. Er hat gerade eine gute Zeit. Mit dem FC Lugano liegt er auf Platz 3, unbesiegt in acht Spielen, saisonübergreifend gar seit sechzehn Spielen.

Und was sagt Jacobacci? Er sagt: «Wir wollen so schnell wie möglich den Klassenerhalt schaffen.» 39 Punkte sollten dafür reichen, denkt er, 23 fehlen noch, bevor Lugano am Sonntag gegen den FC Zürich aufläuft. Für Jacobacci hat das nichts mit Bescheidenheit zu tun, es entspringt nur dem vordringlichsten Ziel des Vereins, nicht abzusteigen. Wenn das geschafft sei, sagt er, könne man noch immer versuchen, mehr zu erreichen.

«Grossvater tönt doch gut»

Lugano ist ein Club mit wechselvoller Geschichte, mit drei Meistertiteln bis 1949 und drei Cupsiegen bis 1993, aber auch mit finanziellen Dramen und sportlichen Abstürzen. Präsident Angelo Renzetti versucht seit langem, für seinen Club solide Käufer zu finden, weil das Engagement ihn schon viel Kraft gekostet hat. Jacobacci hat genau gewusst, wohin er geht, als er dem Ruf aus Lugano folgte. Ein Jahr und eineinhalb Monate ist das jetzt her, Lugano stand als Neunter schlecht da. Jacobacci wusste auch: Renzetti konnte ihm finanziell nicht viel bieten und vorerst nur einen Vertrag bis zum Saisonende.

Erfolgsgespann: Maurizio Jacobacci (links) geniesst das Vertrauen von Lugano-Präsident Angelo Renzetti.

Er führte Lugano auf Rang 5, 2 Punkte fehlten zur Europa League. In der Deutschschweiz wurde diese Leistung nur marginal wahrgenommen, weil das oft der Fall ist, wenn es um das Tessin geht. Und weil das oft auch der Fall ist, wenn es um Jacobacci geht, um diesen Buben italienischer Einwanderer aus einem Berner Arbeiterquartier. Kaum ein Trainer ist mehr unterschätzt worden im Schweizer Fussball als er.

Die Augen glänzen, wenn er von den ersten Spielen von Esperia Bern erzählt, die er als Knirps mit seinem Vater auf einem Platz verfolgte, der so eng und klein war, dass die Bäume ins Spielfeld ragten. Sie glänzen oft in diesem Gespräch im Café beim Bahnhof von Bellinzona, weil es zuerst einmal um Fussball geht und Fussball sein Motor ist; und weil es auch um seine Familie geht. Seine Kinder haben ihren Weg gemacht, der Sohn als Bestatter, die Tochter als Primarlehrerin, das macht ihn besonders stolz. Er hat drei Enkel und findet: «Grossvater, das tönt doch gut.»

17 Stationen als Trainer

Jacobacci ist viel unterwegs gewesen in seinem Leben: zehn Stationen als Spieler, siebzehn als Trainer. Es sind so viele, dass es beim Zählen leicht einen Fehler geben könnte. Auf seinem langen Weg hat er sich auch schon die Frage gestellt, wieso er so lange warten musste, bis er als Cheftrainer in der Super League seine Chance erhielt. «Was habe ich für eine Lobby?», hat er sich gefragt.

Jacobacci ist ein Arbeiter. Dass er sich einmal einen Porsche geleistet hat, dass er eine illustre Lebenspartnerin hat, Ilona Hug, die frühere Frau des verstorbenen Kickboxers Andy Hug, dass er Wert legt auf ein modisches Äusseres – das mag alles sein, aber es ändert nichts daran, dass er die Werte eines Arbeiters in sich trägt.

«Ich kann nur mit Leistung überzeugen», sagt er. Und weil er das weiss und weil er sich für nichts zu schade ist, stieg er auch an Orten ein, die unattraktiv scheinen mögen: in Chiasso, Delsberg, Baden, Vaduz, Kriens oder Schaffhausen, in der 1. Liga, in der Challenge League, im Nachwuchs, als Assistent. Jacobacci sagt: «Ich bin immer bereit, einen Schritt zurück zu machen.» Vielleicht liegt es genau daran, dass sein Profil lange ungeschärft war, oder anders: dass er als Hansdampf galt.

Zweimal konnte Jacobacci in der Super League schnuppern. Einmal, 2000 bis Ende 2002, war er Assistent bei GC, als es noch eine grosse Nummer war. Mit Hans-Peter Zaugg wurde er Meister, Marcel Koller ersetzte ihn durch Carlos Bernegger, kurz bevor es wieder einen Titel gab. Und Jacobacci ging nach Delsberg, Hauptsache, Arbeit.

2008 lieh er bei Sion die Diplome, damit Charly Roessli den Chef geben konnte. Mit dem «Intermezzo», wie er es nennt, konnte er sich nicht identifizieren. Er beendete es nach drei Monaten, ging nach Kriens und schaffte den Aufstieg in die Challenge League.

Missverständnis: Zweimal war Maurizio Jacobacci in Sitten – noch heute streitet er vor Gericht mit Christian Constantin um Geld.

Nach drei Saisons war er arbeitslos, das war er schon einmal ein ganzes Jahr gewesen, und er machte sich Gedanken über seine Zukunft, denn so viele Clubs mit professionellen Strukturen gibt es nicht in der Schweiz. Diesmal war er ein halbes Jahr ohne Arbeit, und darum rief er in Schaffhausen den damaligen Präsidenten Aniello Fontana an und fragte: «Darf ich vorsprechen?» Er durfte, blieb fast viereinhalb Jahre und führte Schaffhausen mit zwei Aufstiegen in die Challenge League zurück.

Baden rettete er vor dem Abstieg, den Nachwuchs von Sion stabilisierte er, die Mannschaft von Wil ebenso. Nicht überall lief es ihm gut, in Vaduz nicht, bei Wacker Innsbruck nicht. In Vaduz hatte er das Gefühl, dass gegen ihn lobbyiert wurde, in Innsbruck war er mit seinen Ideen am falschen Ort und blieb bloss für elf Spiele.

Kein Luxus in Lugano

Bis er also selbst der Chef eines Super-League-Teams war, musste er 55 werden. Das war im Februar 2018, der FC Sion war abgeschlagen Tabellenletzter, als Christian Constantin den U-21-Trainer Jacobacci zum Retter in der Not beförderte. Zum Einstand setzte es ein 0:1 in Lugano ab, und «ich stand schon auf der Kippe», erinnert sich Jacobacci. Er warf Pajtim Kasami vorübergehend aus der Mannschaft, weil dieser nur für Unruhe sorgte, und leitete so die Wende zum schliesslich sicheren Ligaerhalt ein.

Nach einem schlechten Start in die neue Saison war es für ihn schon wieder vorbei im Wallis. Mit Constantin streitet er noch immer vor Gericht um zehn Monatslöhne. Von Sion ging es als Trainer nach Bellinzona in die Promotion League. «Ich bin immer dahin gegangen, wo es Bedarf gegeben hat», sagt er.

Darum ist er jetzt in Lugano. Er lässt das spielen, was die Spieler hergeben, es ist ein intensives Spiel mit viel Ordnung und Laufbereitschaft. Luxus liegt nicht drin, die Partien sind immer ein hartes Stück Arbeit. Dafür stehen auch die Siege: 2:1, 1:0, 1:0, 1:0. Jacobacci sagt: «In schwierigen Momenten kann man nur als Mannschaft bestehen»

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