Feststoff-BatterieWann kommt der Wunder-Akku?
Sie ist so etwas wie der «Heilige Gral» der Batterie-Forscher: Die Feststoffbatterie. Sie könnte eine ganze Reihe an E-Auto-Schwächen beheben. Doch allzu bald dürfte sie nicht auf der Strasse sein.

Die Feststoffbatterie soll das E-Auto zu neuen Höhen führen: Ultrakurze Ladezeiten, höchste Reichweiten, totale Brandsicherheit und niedrigere Kosten versprechen die Fahrzeughersteller sich und ihren Kunden von der neuen Akku-Technik. Doch noch ist das Rennen um die Superbatterie offen: Kommt sie überhaupt? Und wenn ja: Wann und bei welcher Marke?
Zuletzt hatte Nissan beim Thema Feststoff- oder Festkörpertechnik für Aufsehen gesorgt: Die Japaner haben im April angekündigt, ab 2024 zunächst mit einer Pilotproduktion zu starten, 2028 soll das erste Serienauto auf den Markt kommen. Der Konzern sieht sich bei der Entwicklung weit vorne und gibt sich demonstrativ optimistisch. Technik-Chef Kazuhiro Doi zumindest gab Mitte April vor Journalisten einen ungewöhnlich offenen Einblick in Pläne und Entwicklungsstand. Der detailreiche Vortrag war umso ungewöhnlicher, als andere Autohersteller zwar ebenfalls spannende Ankündigungen machen, mit technischen Details aber bislang auffällig hinterm Berg halten.
Klar ist aber, dass alle grossen Autobauer mit Hochdruck an der Super-Batterie forschen. VWs Batteriechef Frank Blume sprach sogar von einem «Endspiel» in der Akku-Technik, das jeder Konzern gewinnen wolle. Die Norddeutschen arbeiten in diesem Wettrennen mit dem US-Unternehmen Quantumscape zusammen, an dem sie auch die Mehrheit der Anteile halten. Das Start-up gilt als einer der hoffnungsvollsten Anwärter auf die Rolle als Feststoffpionier. Bereits ab 2025 – so hiess es in früheren Ankündigungen – soll die Technik verfügbar sein, zumindest eine Pilotanlage könnte dann mit der Testproduktion beginnen. Blume spricht von einem Reichweitenplus von 30 Prozent gegenüber aktuellen Lithium-Ionen-Batterien, gleichzeitig soll die Ladezeit halbiert werden. Beides zusammen könnte das Reichweitenproblem des E-Autos endgültig lösen. Kein Wunder, dass auch andere Mitspieler wie Toyota, Panasonic, BMW, Ford und LG bei dem Wettrennen mitmachen. Sie nennen für den Start Daten zwischen 2025 und 2030.
Mehr Reichweite dank höherer Energiedichte
Dabei ist der Unterschied der Feststoffbatterie zu heutigen Akkus zunächst einmal nur ein kleiner: Statt eines flüssigen Elektrolyten kommt ein fester zum Einsatz. Der Elektrolyt ist einer der zentralen Komponenten in jeder Batterie und übernimmt den Transport der Ionen zwischen Anode und Kathode, was im Gegenzug den Elektronen ihre Wanderschaft in Gegenrichtung ermöglicht, die für den Stromfluss sorgt und letztendlich den E-Motor antreibt. Schon der Tausch von flüssig zu fest hat potenzielle Vorteile: Denn während der Flüssig-Elektrolyt so leicht und schnell brennt wie das chemisch verwandte Benzin, lässt sich sein festes Gegenstück fast gar nicht in Brand setzen. Vor allem bei Kollisionen von E-Autos könnte das ein Sicherheitsvorteil sein, obwohl auch aktuelle Flüssig-Elektrolyt-Akkus für E-Autos mittlerweile als sehr sicher gelten.
Der Punkt, der die Feststofftechnik wirklich interessant macht, ist ein anderer: Die Nutzung des festen Elektrolyten erlaubt den Einsatz von alternativen Anodenmaterialien – statt wie heute üblich die Anode aus Grafit zu fertigen, könnte man sie beispielsweise aus Lithium herstellen, das mit einem deutlich höheren elektrochemischen Potenzial aufwartet. Seine grössere spezifische Kapazität ermöglicht eine höhere Energiedichte bei gleichem Batterievolumen und damit letztlich eine höhere Reichweite. Metallisches Lithium als Anodenmaterial ist keine neue Entdeckung. Schon vor Jahren experimentierten Forscher mit dem Material, doch in Verbindung mit dem brennbaren Flüssigelektrolyt waren diese Batterien zu unsicher für den Serieneinsatz.
Prinzipiell sind aber auch andere Materialkombinationen möglich. Doch ändert man eine Komponente oder eine Anforderung, ergeben sich zahlreiche neue Kombinations- und Lösungsmöglichkeiten. Auch Nissan-Entwickler Doi untersucht mithilfe grosser Datenbanken und künstlicher Intelligenz zahlreiche Variationen, von denen einige Serienpotenzial haben könnten. Ein klares Bekenntnis für die Lithium-Anode gibt derzeit noch keiner der forschenden Hersteller ab. Klarer scheint die Lage beim Elektrolyt: Dort dürfte sich die Keramik auf Schwefelbasis durchsetzen. Sie punktet vor allem mit ihrer sehr hohen Leitfähigkeit gegenüber Polymeren und Phosphat-Keramik.
Das Batterieangebot wird sich verbreitern
Nach der Festlegung auf Elektroden-Material und Elektrolyt-Variante muss die Industrie aber auch noch die Fertigung meistern. Nissan reklamiert niedrigere Kosten gegenüber der Flüssigbatterie, ein praktischer Beleg steht jedoch noch aus. Manch andere Experten rechnen sogar mit höheren Preisen für Festkörperzellen. Letztlich bleibt also abzuwarten, wie sich das Preis-Leistungs-Verhältnis der neuen Technik in ihren unterschiedlichen möglichen Varianten künftig darstellt. Zwischen einem Einsatz in Massenfahrzeugen und der exklusiven Nutzung in Luxusautos scheint vieles möglich. Das plötzliche Ende für die klassische Flüssigbatterie dürfte eine Markteinführung der Feststoffbatterie aber wohl kaum bedeuten. Schliesslich hat die aktuelle Technik einen rund 30-jährigen Entwicklungsvorsprung, der sich nicht ohne weiteres aufholen lässt: Sie hat sich im Auto bewährt, Materialien und Produktionsverfahren sind erprobt, und ihre Leistungsfähigkeit wird in den kommenden Jahren weiter steigen.
Generell dürfte sich das Batterieangebot in den kommenden Jahren immer stärker differenzieren. Allein Materialknappheit und Preisschwankungen werden für eine breite Palette verschiedener Akku-Varianten sorgen. Unter anderem die Feststoffbatterie. Welches Modell in welchem Fahrzeug angeboten wird, dürfte dann vor allem von den konkreten Anforderungen und der Zahlungsbereitschaft der Kunden abhängen.
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