Vorsichtiger Optimismus bei den Winzern nach den Frostnächten
Am Wochenende und am 1. Mai haben die Winzer am Zürichsee zum Tag der offenen Weinkeller eingeladen. Trotz den erlittenen Frostschäden nach dem Kälteeinbruch herrscht Zuversicht, wie die Reaktionen aus drei Weingütern zeigen.

«Es sieht traurig aus.» Mit diesen Worten beschreibt August Pünter den Zustand seiner Rebstöcke, die der Stäfner auf vier Hektaren seit über 25 Jahren bewirtschaftet. Er müsse den Schock noch verdauen. «Seit ich mich erinnern kann», fährt der 57-jährige Eigenkelterer fort, «haben wir keinen solchen Frost im Frühjahr erlebt.» Die Rede ist vom Kälteeinbruch nach den Ostertagen, als nach zwei Frostnächten in Folge viele Jungtriebe an den Reben im ganzen Bezirk Meilen, aber auch in anderen Weinbaugebieten der Schweiz, erfroren sind. Zumal die Rebstöcke drei Wochen zu früh getrieben hätten, wie Diederik Michel aus Küsnacht festhält.
Michel hat erst vor vier Jahren den gesamten Rebberg der Familie Welti mit drei Hektaren übernommen. Am sonnigen Samstag steht der Winzer zwischen den Rebstöcken seines Räuschlings hinterm Haus und öffnet mit zwei Fingern einige Knospen: Sie sind braun und dürr. «Diese Triebe sind tot», meint er mit düsterer Miene und hofft wie sein Stäfner Kollege, dass die weniger empfindlichen Nebenaugen, also die Triebe neben den Hauptknospen, in den kommenden Wochen noch neue Triebe bilden würden. Während August Pünter, der aus 17 Weinsorten jährlich bis 25 000 Flaschen Wein herstellt, sich mit Prognosen betreffend Ernteeinbussen zurückhält, schätzt man in Küsnacht den Ernteausfall auf zwischen 70 und 100 Prozent.
Schnee hatte keine Folgen
Anders drückt Alain Schwarzenbach aus Obermeilen sich aus: «Wenn ich diese Saison 40 bis 50 Prozent Ertrag erwirtschaften kann, bin ich zufrieden.» Der 34-Jährige hat 2016 den über 100-jährigen Familienbetrieb Schwarzenbach Weinbau in der fünften Generation übernommen: Auf derzeit neun Hektaren gedeihen zwölf Traubensorten.
«Nicht einmal mein Vater hat jemals einen solchen Frost erlebt», sagt er, während er in seinem Keller Gläser füllt und geduldig Fragen besorgter Kunden zu den Frostschäden beantwortet. Dazwischen zeigt er auf seinem Handy eine Nachtaufnahme. Darauf sind die 400 flackernden Feuerstellen zu sehen, die er zwischen den flach liegenden Hausreben entfacht hatte, um der Kälte entgegenzuwirken: «80 Prozent in dieser Parzelle sehen gut aus», beurteilt der Meilemer die ungewohnte Massnahme, die auch etliche seiner Winzerkollegen ergriffen hatten. Keine Auswirkung auf die Ernte hatte hingegen der Schneefall vom Donnerstag auf den Freitag. «Der Schnee hat uns nichts ausgemacht», sagt Alain Schwarzenbach. «Wenn es schneit, ist es über null Grad, und für die Reben sind erst Minustemperaturen ein Problem.»
Womöglich Zukäufe nötig
Bei Diederik Michel haben die rund hundert Feuer hingegen nichts ausrichten können, die Triebe sind ihm trotzdem erfroren. «2018 werden wir am 1. Mai keinen Weisswein ausschenken», schlussfolgert der 43-Jährige, der sich bereits Gedanken macht, mit Zukäufen das Jahr zu überbrücken, um Kunden halten zu können. Eines weiss er bestimmt, nach einem Frostjahr folge stets ein fruchtbareres Jahr.
Was Alain Schwarzenbach optimistisch stimmt, sind die vielen verschiedenen Lagen, die er in und um Meilen bewirtschaftet. Obwohl es gerade Hanglagen «erwischt» habe, die sonst vom Frost verschont blieben. Dem Completer, einer alten weissen Traubensorte, habe die Kälte gar nichts anhaben können. Seine Partnerin Marilen Muff mag ebenso wenig Trübsal blasen: «Wir arbeiten mit der Natur, und Frostausfall ist nicht gleich Ernteausfall», meint sie, «da kann noch viel Positives passieren.»
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