
Die Einschläge kommen näher: Immer mehr von uns kennen Menschen, die unter waschechten Burn-out-Symptomen leiden. Die Unternehmen sind alarmiert, aber schon legen Studien aus den USA nahe: Statistisch wird jeden, der heute in die Arbeitswelt eintritt, einmal im Leben dieses Schicksal ereilen. Woran liegt das?
Einerseits ist die moderne Arbeitswelt viel schneller und fragmentierter als die unserer Eltern. Andererseits haben wir die Kontrolle über unser Schaffen zu einem Gutteil bereits an Maschinen abgegeben, uns den damit verbundenen Prozessen ergeben. Das ist prinzipiell nichts Schlechtes, aber wir müssen feststellen: Unsere Gehirne sind nicht dafür gemacht, auf die totale Vernetzung adäquat zu reagieren, also tausend Dinge gleichzeitig tun zu müssen. Sie kennen das: in einer Minute die E-Mails checken, dann ein virtuelles Meeting und zum Schluss noch dem Chef rapportieren, was alles noch nicht erledigt werden konnte.
Der US-amerikanische Arbeitsforscher Cal Newport hat zu dem Thema einige erstaunliche Bücher geschrieben – jüngst «A World Without E-Mail» – und rät Unternehmen wie Angestellten: Nehmt euch eure Zeit zurück! Schaltet den ganzen Terror von Handy-Pushnachrichten über Social Media bis zum elektronischen Firmenpostfach zwei Stunden am Morgen und zwei am Abend ab! Euer Chef wird euch noch danken! Denn nur wer Ruhe hat, kann sich konzentrieren, und nur wer sich konzentrieren kann, wird Probleme kreativ lösen lernen. Und das wiederum ist eine der ganz wenigen menschlichen Fähigkeiten, die Maschinen künftig nicht günstiger, schneller und besser werden nachahmen können.
Während die Vorstellung, «Virtual Meeting Fatigue» oder Burn-out ereile doch nur die «Verweichlichten», noch immer weitverbreitet ist, fällt auf, dass die, die so reden, oft auch diejenigen sind, die ihre Erfüllung in alten Jobprofilen finden, sich diesen 24/7 unterordnen. Sie halten ständige Erreichbarkeit und dauerndes Multitasking für menschliche Kernkompetenzen. Die Ironie dieser Geschichte? Das Gegenteil ist nachweislich der Fall. Und deshalb wird es diese Jobs wohl schon bald nicht mehr geben.

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Kolumne «Tribüne» – Volkskrankheit Burn-out
Michael Wiederstein, Publizist und Executive Editor bei getAbstract, über die permanente Erreichbarkeit.