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Vier Gewinner, aber noch kein Sieger

Machen die Belgier um Eden Hazard das Rennen um den WM-Titel? Bild: Keystone
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Frankreich

Die Fünf-Sterne-Equipe

Mbappés 4:2 im Achtelfinal gegen Argentinien. Video: SRF

Pro

Die Franzosen wären der erwartete Weltmeister – schliesslich galten sie als einziger der Halbfinalisten schon vor der WM als 5-Sterne-Favorit. Daran hat sich nichts geändert, sie sind ausgezeichnet besetzt, stimmig ausbalanciert und treten trotz ihrer relativen Jugendlichkeit im Stil einer abgebrühten Turniermannschaft auf. Wenn Antoine Griezmann trifft, verliert Frankreich nie – und Griezmann trifft in K.-o.-Spielen fast immer. Die Franzosen haben mit Kylian Mbappé einen zukünftigen ­Weltfussballer, der vielleicht schon mit 19 erstmals eine WM gewinnt, mit N'Golo Kanté den perfekten Abräumer, mit Ra­phaël Varane einen majestätischen ­Abwehrchef, mit Hugo Lloris einen erfahrenen Torhüter. Und sie haben mit Paul Pogba einen Schlüsselspieler, der sich noch mächtig steigern kann. Was im Grunde genommen für die ganze Mannschaft gilt. Vielleicht muss sie ihren fünften Stern an dieser WM aber gar nie zeigen. Sondern erst 2022. Wenn diese junge Equipe in ihrer Blüte ­stehen wird.

Contra

Frankreichs Vorstellungen sind bisher grundsolide, aber einzig im Achtelfinal gegen Argentinien (4:3) geriet ihr Vortrag ansatzweise mitreissend. Eine starke Mannschaft ist den Franzosen bis jetzt noch nicht begegnet, nun kommen die zielstrebigen Belgier, und möglicherweise hat das Team den fünften Stern ja gar nicht nach Russland mit­genommen.

Belgien

Die Giganten-Bezwinger

De Bruynes 2:0 gegen Brasilien im Viertelfinal. Video: SRF

Pro

Die Belgier wären der angemessene Weltmeister – schliesslich haben sie mit Brasilien das vielleicht beste Team dieser WM bezwungen. Ihnen wird wohl nie mehr eine derart vorzügliche Mannschaft wie diesmal zur ­Verfügung stehen. Eden Hazard, Kevin De Bruyne und Romelu ­Lukaku bilden eine grandiose Offensive, das Tor bewacht mit Thibaut Courtois der mit Abstand beste im Turnier verbliebene Goalie. Ihr Trainer Roberto Martinez beherrscht die taktische Klaviatur, er hat die Brasilianer überrascht und ist ganz bestimmt ein modernerer Coach als Frankreichs zögerlicher Didier Deschamps. Die Belgier wirken ohnehin feuriger und entschlossener als die Franzosen, sie wollen die Chance ihrer Karriere unbedingt nutzen. Und besser als der Finalgegner werden sie in jedem Fall sein.

Contra

Es ist nicht ideal, Final, Halb­final und Viertelfinal in umgekehrter Reihenfolge absolvieren zu müssen. Nach der physisch und ­emotional anstrengenden Verarbeitung des Coups gegen Brasilien könnte die Spannung ein wenig gesunken sein. Das wäre gegen England oder Kroatien verschmerzbar. Nicht aber gegen die pragmatischen Franzosen. Die Belgier sind heute Abend zwar leichte Aussenseiter, stehen aber gleichzeitig unter Zeitdruck. An der nächsten Weltmeisterschaft in vier Jahren wird aus ihrer Stammelf einzig der 25-jährige Lukaku noch nicht 30 oder älter sein.

Kroatien

Die Modric-Mannschaft

Modrics 2:0 gegen Argentinien in der Gruppenphase. Video: SRF

Pro

Die Kroaten wären der logische Weltmeister – schliesslich ist das eine WM der Überraschungen. Und der knappen Partien. Knapper als Kroatien kann man sich nicht für einen Halbfinal qualifizieren: Elfmeterschiessen im Achtelfinal, Elfmeterschiessen im Viertelfinal. Nun werden sich die Kroaten wieder ihrer spielerischen Überlegenheit besinnen, die sie gegen Dänemark und Russland versteckten. Die Kroaten sind routinierter, brillanter, listiger als England. Und sie ­werden im Final auf einen ­Gegner treffen, der nach all den Duellen mit Weltgrössen aus­gelaugt sein wird. Besser als der wunderbare Aussenrist-Aficionado Luka Modric ist an dieser WM ohnehin keiner.

Contra

Man kann sich einen Welt­meister Kroatien nur schwer vorstellen. Zu wenig Klasse, zu wenig ­Tradition, zu wenig Überzeugtheit. Gegen Dänemark und Russland agierten die Kroaten manchmal vogelwild, Modric bildete teilweise ein (zwar sehr starkes) 1-Mann-Mittelfeld, seine Nebenleute schwirrten planlos auf dem Platz umher. Was auch daran liegt, dass ihr Trainer nicht ­Roberto Martinez, Gareth Southgate oder zumindest Didier ­Deschamps heisst. Zlatko Dalic wirkt überfordert, er ändert die Formation ständig, verzichtete im Viertelfinal zuerst auf den wertvollen Marcelo Brozovic. Tut er das morgen gegen England wieder, muss sein Team zur ­Strafe das Spiel um Rang 3 bestreiten.

England

Die Schleichweg-Finder

Kanes 5:0 gegen Panama vom Penaltypunkt. Video: SRF

Pro

Die Engländer wären der symbolhafte Weltmeister – schliesslich ist das auch eine WM der Schleichwege. Wer Teams wie Panama, Tunesien, Kolumbien und Schweden schlägt, steht normalerweise bestenfalls im Viertelfinal. Es ist sowieso eine sehr deutsche Variante, mit der sich England durchs Turnier schlängelt: überragend bei Standards, eine treffsichere Nummer 9, pragmatisch und kopfballstark, robust und solidarisch, abgesichert durch einen stilsicheren Goalie. Und angeleitet von Gareth Southgate, dem ersten über­zeugenden englischen Nationaltrainer seit Menschengedenken. Zudem ist ein englischer WM-­Titel nahezu unvermeidlich, wenn diese Mannschaft tatsächlich schon damit beginnt, Elf­meterschiessen zu gewinnen. Und irgendwann wird der kaltblütige Torjäger Kane auch aus dem Spiel heraus treffen.

Contra

Englands unerfahrenes Team ist einfach nicht gut genug besetzt und noch nicht ansatzweise bereit für den WM-Titel. Es ist jung und euphorisch und diszipliniert, ausser Kane verkörpert ­jedoch keiner absolute Spitzenklasse, wobei John Stones, Jordan Henderson und Dele Alli im Fall eines Triumphs umgehend in diese Kategorie befördert werden müssten. Irgendwann werden die Limiten von Akteuren wie Ashley Young, Harry Maguire, Kyle Walker und Jesse Lingard aufgedeckt werden. Irgendwann trifft England auf eine halbwegs hochwertige Mannschaft.