Urteil bringt Boris Johnson in Bedrängnis
Ein hohes Gericht hat die Zwangspause des britischen Parlaments für illegal erklärt. Die Opposition fordert nun die sofortige Wiedereinberufung.

Für neue Aufregung im Brexit-Drama haben am Mittwoch drei schottische Richter gesorgt. Schottlands höchstes Zivilgericht überraschte die britische Regierung mit einem Urteil, das Boris Johnson erneut in Bedrängnis bringt.
Das Gericht entschied, dass die fünfwöchige Aussetzung der Parlamentsarbeit in Westminster durch die Regierung Johnson unrechtmässig war. Die auf Geheiss des Premierministers von der Königin verfügte Zwangspause fürs Parlament, urteilten die Richter, habe nur die Absicht verfolgt, das Parlament «mattzusetzen» im gegenwärtigen Brexit-Streit.
Zusammen mit inzwischen vorliegenden Dokumenten zeigten «die Umstände und inbesondere die zeitliche Länge» der Parlaments-Vertagung, dass mit dieser Massnahme die Kontrolle der Exekutive durchs Parlament behindert werden sollte, befand das Gericht. Dies sei «der wahre Grund» für die Vertagung gewesen. Da es sich um eine «Taktik zur Behinderung des Parlaments» gehandelt habe, sei die Zwangspause illegal und die Schliessung des Parlamentsbetriebs bis zum 14.Oktober «null und nichtig».
«Das Parlament muss augenblicklich wieder einbestellt werden.»
Aus dieser Rechtssprechung zogen britische Justizexperten den Schluss, dass es den Parlamentariern frei stehe, unverzüglich wieder zusammen zu treten, um ihre Arbeit erneut aufzunehmen – zumal die Regierung keine einstweilige Verfügung gegen den schottischen Spruch erwirkt hat.
Oppositions-Politiker aller Parteien forderten denn auch die sofortige Wiedereinberufung des Parlaments, das in der Nacht auf Dienstag vertagt worden war. Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon erklärte ebenfalls: «Das Parlament muss augenblicklich wieder einbestellt werden, damit die erforderliche parlamentarische Aufsicht (über die Exekutive) weiter stattfinden kann.»
Der ehemalige Tory-Generalstaatsanwalt Dominic Grieve, einer der vorige Woche aus der konservativen Fraktion ausgeschlossenen 21 Rebellen, meinte dazu, falls Boris Johnson die Königin über die wahren Gründe für die Parlaments-Vertagung getäuscht habe, wäre das «eine äusserst ernste Sache». Sollte dies bestätigt werden vom Obersten Gericht des Vereinigten Königreichs, dem Supreme Court, müsse «Mr Johnson abtreten, und zwar schleunigst».
«Falls Mr Johnson die Queen getäuscht hat, muss er abtreten, und zwar schleunigst.»
Der Supreme Court hat das letzte Wort in dieser Sache. Eine dreitägige Anhörung soll am kommenden Dienstag beginnen. In niedrigeren Instanzen, sowohl in Schottland wie in England, hatte sich bisher jeweils die Regierung durchgesetzt. Da das schottische Gericht gestern eine Wiedereröffnung des Parlaments durch die Exekutive nicht ausdrücklich anordnete, glaubt die Regierung erst einmal bis nächste Woche abwarten zu können.
Der Spruch des höchsten Zivilgerichts in Edinburgh aber und dessen scharfe Kritik sind schon jetzt ein schwerer Schlag für Regierungschef Johnson. Der einstimmige richterliche Verweis auf die Umstände und politischen Motive bei dieser speziellen Parlaments-Vertagung bestätigt nur, was Oppositions-Parteien, Tory-Rebellen und Demonstranten überall im Lande Johnson vorgeworfen haben.
«Britische Richter sind hervorragend und unparteiisch.»
Ein Pressebericht in London meldete am Mittwoch, in der Regierungszentrale sei nach Erhalt des Gerichtsbescheids Empörung über «politische voreingenommene» Richter laut geworden. Justizminister Robert Buckland beeilte sich aber festzustellen, britische Richter seien «hervorragend und unparteiisch». Sie genössen sein «totales Vertrauen».
Die Eile Bucklands war kein Zufall. Bei einer früheren unbotmässigen Gerichtsentscheidung in Sachen Brexit, im Herbst 2016, hatte die damalige Justizministerin Liz Truss sich geweigert, die betreffenden Richter zu verteidigen – und das auch dann noch, als die rechtsnationale Daily Mail diese Richter auf ihrer Titelseite als «Volksfeinde» denunziert hatte.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch