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«Unter der Schneedecke war ich damals wie einbetoniert»

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Im Video sehen wir, wie Sie in eine Lawine oberhalb von Engelberg geraten sind. Ist das eine nachgestellte Szene? Nein, das sind echte Aufnahmen. Es hat sich genau so in der Realität abgespielt. Es ist Zufall gewesen, dass ich an jenem Tag eine Kamera auf meinem Helm montiert habe.

Mögen Sie sich noch an den Vorfall vor rund acht Jahren erinnern? Sehr gut sogar. Der Unfall ereignete sich am 20. März 2011. Ich war mit Kollegen in einem Skigebiet oberhalb von Engelberg unterwegs, wir pushten uns gegenseitig etwas. Wir hätten dort eigentlich nicht fahren dürfen. Es war irgendwie eine irrationale Entscheidung, dass wir diese Route fuhren. Allerdings kannte ich das Gebiet sehr gut, weil ich in Engelberg das Internat besucht hatte.

Was machten Sie, als Sie von der Lawine erfasst wurden? Wenn eine Lawine rollt, hast du praktisch keine Chance, ihr zu entkommen. Mir wurden die Skis sofort weggezogen, so stark war der Druck. Ich löste meinen Airbag sofort aus. Ich wusste, dass es weiter unten, also am Ende des Hangs, Felsen hatte. Ich rang mit der Luft. Letztlich muss ich sagen: Das Glück stand auf meiner Seite.

Trugen Sie Verletzungen davon? Beim Aufprall brach ich einen Lendenwirbel und es verschlug mir den Atem. Mein Mund füllte sich mit Schnee. Ich wurde trotz der grossen Schneemasse nicht ganz verschüttet, mein Kopf, der von einem Helm geschützt war, lag noch etwas über dem Schnee. Aber sonst ist man unter der Schneedecke wie einbetoniert. Ich versuchte immer wieder, wenigstens den Schnee mit einem Arm wegzuwischen.

Was waren Ihre Gedanken während des Lawinenniedergangs? Es war nicht so, dass mein bisheriges Leben wie in einem Filmraster nochmals durch meinen Kopf lief. Aber ich hatte doch Angst. Ich wusste, dass ich mich in einer schwierigen Situation befand.

Und was dachten Sie, als die Lawine stoppte? Mir war bewusst, dass ich wohl glimpflich davongekommen war, was meine Gesundheit betraf. Und ich hatte das Bewusstsein nicht verloren. Aber ich hatte doch Schmerzen.

Wie wurden Sie gerettet? Ich war mit Kollegen unterwegs, die aber schon unten am Hang waren und wieder zu mir nach oben aufsteigen mussten. Später gruben sie mich aus. Bereits 20 Minuten später war eine Rettungspatrouille bei mir. Und wiederum 20 Minuten später kam die Rega, weil der Patrouillenführer auf Nummer sicher gehen wollte wegen meiner Rückenschmerzen. Ich schaffte es sogar, wieder aufzustehen. Ich erinnere mich, dass die Rettungskräfte sehr schnell vor Ort waren. Schliesslich flog mich die Rega ins Spital von Stans.

Dann haben Ihre Kollegen nach der Lawine sofort Alarm geschlagen? Nein, es waren Skifahrer auf der anderen Talseite, die auf dem Sessellift sahen, dass eine grosse Lawine abging. Diese Skifahrer alarmierten die Rettungskräfte. Nochmals: Ich hatte viel Glück an jenem Tag. Der Patrouillenführer sagte mir: «Jetzt sind sie soeben zum zweiten Mal geboren worden.»

Hat dieser Vorfall Ihr Leben verändert? Sind Sie beispielsweise religiöser geworden? Ich muss ehrlich gestehen: nein, zumindest nicht im alltäglichen Leben. Ich muss mir sogar selber ab und zu einen Ruck geben und sagen: «He, Thomas, sei dankbar, du hast damals unglaubliches Glück gehabt.» Aber als Skifahrer habe ich mich verändert: Ich scheue nun das Risiko, fahre viel vorsichtiger.

Aber kommen Erinnerungen an die Lawine vom 20. März 2011 auf, wenn Sie auf den Ski stehen? Wenn ich in einem steilen Hang stehe, kann es vorkommen, dass ich das Gefühl habe, dass sich alles rund um mich bewegt. Das ist ein ohnmächtiges Gefühl.

Können Sie Tipps geben, wie man sich verhalten soll, wenn man in eine Lawine gerät? Der beste Tipp von mir ist, schon gar nicht in eine Lawine zu geraten. Die Chancen, dass man bei einer Lawine überlebt, sind 50 Prozent. Dem muss man sich einfach bewusst sein. Bestimmt ist es von Vorteil, wenn man die Lawinenbulletins liest und sich über das Gelände informiert, in dem man sich bewegt. Wichtig ist auch, die Hänge einzeln zu befahren und dass man mit den Lawinensuchgeräten umgehen kann. Auch nützt es, wenn die Gruppe in Abständen die Hänge runterfährt, sodass nicht alle Personen von der Lawine erfasst werden. So kann jemand die Rettungskräfte alarmieren. Es hilft auch, mit den technischen Hilfsmitteln zu üben, damit jeder weiss, wie diese im Notfall funktionieren.

Wer aber glaubt, dass man mit Airbag oder anderen Hilfsmitteln risikoreicher fahren könne, der begeht einen Fehler. Ein Airbag macht das zusätzlich eingegangene Risiko nie wett. Eine Lawine ist viel zu mächtig, wenn sie einmal rollt.