Protest gegen Ukraine-KriegUeli Maurer verteidigt sein Sitzenbleiben
Gegen die Brutalität Russlands wurde bei der G-20, der Weltbank und dem Währungsfonds demonstriert. Die Schweizer Bundesräte machten nicht mit – sie wollen Brücken bauen.

Unter anderen Umständen stossen sie kaum auf breites Interesse, die Jahrestreffen von G-20, Weltbank und Internationalem Währungsfonds. Diesmal aber zog die kanadische Finanzministerin Chrystia Freeland viel Aufmerksamkeit auf sich: Als das Wort an den russischen Finanzminister ging, der virtuell teilnahm, erhoben sich Freeland und einige andere und verliessen die Runde unter Protest.
Sitzen blieb der Schweizer Finanzminister Ueli Maurer, wie die Zeitungen von CH Media zuerst berichteten. Der Bundesrat nahm am Freitag Stellung an einer Medienkonferenz, zusammen mit seinem Partei- und Bundesratskollegen Guy Parmelin und Nationalbankpräsident Thomas Jordan.
«Ich bin selbstverständlich sitzen geblieben.»
Es sei ja nicht das Wichtigste gewesen, aber es interessiere halt die Medien, holte Maurer aus, bevor er die Protestaktion beschrieb. «Ich bin selbstverständlich sitzen geblieben», sagte der SVP-Bundesrat. «Unsere Rolle als neutraler Staat ist der eines Zuhörers und Brückenbauers. Brücken abzubrechen, kann es nicht sein.» Parmelin blieb ebenfalls sitzen. «Der Kontakt in solchen multilateralen Foren ist wichtig. Das wird uns erlauben, irgendwann den Faden wieder aufzunehmen», sagte der Wirtschaftsminister.
Maurer zeigt sich betroffen
Das Brückenbauen ist vorderhand hypothetisch: Die Schweiz spielt derzeit keine Vermittlerinnenrolle, direkten Kontakt zu den virtuell teilnehmenden Russen hatten die Schweizer keinen. Die Vertreter anderer grosser Länder, etwa Deutschlands, seien übrigens ebenfalls im Saal geblieben, sagte Maurer; das Verhalten der Schweiz habe keine Kritik ausgelöst. Hinter den Kulissen war allerdings zu hören, dass besonders Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, getobt hatte.
«Der Kontakt in solchen multilateralen Foren ist wichtig. Das wird uns erlauben, irgendwann den Faden wieder aufzunehmen.»
Maurer schien die Protestaktion zunächst etwas salopp abzutun. Doch dann drückte er sich differenziert aus: Die Bundesräte hatten vereinbart, den Saal zu verlassen, falls die russische Vertretung etwa Menschenrechtsverbrechen verherrlicht hätte. Was in der Ukraine geschehe, dürfe nicht passieren, sagte Maurer: «Wir haben eine Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski aus seinem Bunker gehört. Das lässt niemanden kalt.» Die Emotionen im Saal seien spürbar gewesen, und auch damit sei der Protest zu erklären. Eine treibende Kraft dahinter sei die kanadische Finanzministerin gewesen, für die der Krieg eine persönliche Komponente besitzt, unter anderem, da sie ukrainische Wurzeln hat. «Aber ich bin hier, um einen Staat zu vertreten, nicht um persönliche Betroffenheit zu markieren», sagte Maurer.
Der Krieg in der Ukraine wird die Weltwirtschaft weiterhin stark prägen. Die Unsicherheit sei riesig, sagte Nationalbankpräsident Thomas Jordan. Selbst eine Stagflation, steigende Preise bei schrumpfender Wirtschaft, schliesse die Nationalbank nicht mehr aus. Ähnlich bilanzierte Finanzminister Ueli Maurer seine Treffen. Die Inflation und der Krieg, die enorme Staatsverschuldung und das Ende der Pandemie seien die Hauptthemen. «Wir sind das einzige maskenfreie Land», sagte Maurer in einem Hotel in Washington – maskenlos, wie fast überall in den USA.
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Fabian Fellmann schreibt seit mehr als 20 Jahren über politische Themen. Seit Sommer 2021 berichtet der Politologe als USA-Korrespondent aus Washington, D.C. Davor war er unter anderem als Brüssel- und als Bundeshaus-Korrespondent für verschiedene Zeitungsredaktionen tätig.
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