Riesenkran lehrt Brücke das Fürchten
In der Nacht von Sonntag auf Montag ging es im Zuge des Ausbaus der Nordumfahrung der alten Autobahnbrücke über die Wehntalerstrasse an den Kragen. Einer der grössten Raupenkrane der Schweiz liess seine Stahlmuskeln spielen.

Die Schwalben fliegen hoch, die Mücken tanzen, die letzten Badegäste verlassen ihren Platz am Katzensee, der Verkehr wälzt sich unter der Autobahnbrücke hindurch. Auf den ersten Blick ist es ein gewöhnlicher Sonntagabend – wäre da nicht der Liebherr LR 1750/2, einer der grössten und stärksten Raupenkrane der Schweiz, der sich neben der Wehntalerstrasse platziert hat. 40 Sattelschlepper haben den Riesen und sein Zubehör angekarrt. Seit Tagen steht er regungslos da und wartet auf seinen grossen Moment.
Das Ungeheuer und seine fleissigen «Zwerge»
Als die Sonne versinkt, erhellen Scheinwerfer die Szene. Die Stunde des Krans ist gekommen. Zuerst umrundet ein Spezialist die Raupe, ähnlich wie ein Pilot, der vor dem Start den Outside Check macht. Neben dem Stahlriesen wirken die Bauarbeiter in ihren leuchtenden Anzügen wie Zwerge.
Handyvideo: Beatrix Bächtold
Unter ihren Rufen und ihren ausladenden Gesten senken sich vier Doppelstahlseile vom 84 Meter langen Ausleger des Krans auf die Autobahnbrücke herab. Die «Zwerge» verzurren die Befestigungshaken an der Fahrbahnplatte. Das stählerne Ungetüm verharrt unbeweglich, als man ihm unter 90 Prozent Belastung 25 Gegengewichte, jedes 12,5 Tonnen schwer anhängt. Nur immer schön behutsam.
Von einem Moment auf den anderen fährt kein Auto mehr unter der Brücke durch und auch die Fussgänger werden angehalten. Als sich die Gurte straffen, bringen sich die Helfer aus dem Gefahrenbereich. Sie wissen, wenn dieses gigantische Grosshebegerät schuftet, so ist es besser, seinen Kräften Respekt zu zollen. Meint man es nur oder hört man neben dem sanften Brummen des Stahlriesens ein Knacken, ein fast unhörbares Schleifen, als sich die 100 Tonnen schwere Fahrbahnplatte Millimeter um Millimeter hebt?
Und während der Lastriese das Teil wie eine Feder schweben lässt, halten die Menschen den Atem an. Schliesslich sind da gerade satte 800 Tonnen, unterstützt bis zum Gehtnichtmehr von einem ausgeklügelten Sicherheitssystem, in Bewegung. Auch Ulrich Weidmann, Gesamtprojektleiter Ausbau Nordumfahrung Zürich ist vor Ort. Ob das vier Meter tiefe Fundament, das man unter dem Kran gelegt hat, die Belastung aushält?
Logensitz hinter dem Steuerrad
Der Schauplatz befindet sich auf ursprünglich weichem Untergrund wie zum Beispiel Torf und man hat mit Bindemittel, Holz und Stahl kräftig nachgeholfen, damit der über 80 Meter hohe Koloss nicht ins Wanken gerät. Wenige Millimeter würden genügen und das Science Fictionähnliche Ungetüm würde, von den tonnenschweren Gegengewichten gezogen, die Stabilität verlieren und eine Rolle rückwärts machen. Doch zurück zur Realität. Hier schwebt nämlich gerade die Fahrbahnplatte im eigentlichen Hubprozess möglichst bodennah fast eine halbe Stunde lang ihrem Ziel entgegen.
Die Autoschlange wächst. Die meisten Lenker halten sich an die Anweisungen und geniessen von ihrem Logenplatz aus das Spektakel. Doch gerade jetzt wendet auch wieder ein Zeitgenosse fluchend und mit quietschenden Reifen.
Unbeeindruckt setzt der Riese sanft die Last auf vier Betonklötze, die von den Dimensionen her wie Legosteine wirken. Die Arbeiter lösen die Befestigung, der Verkehr wird kurz freigegeben und schon streben die Gurte wieder hinauf zur Brücke. Das nächste Teil ist dran. In den kommenden Morgenstunden werden zwei Bagger mit dem Zertrümmern der beiden Platten beschäftigt sein, bevor diese abtransportiert werden. Eine lange Nacht für den Riesen und seine «Zwerge».
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