Neues Tool zur Erkennung von Extremisten
Justizbehörden haben Mühe, aus der Masse möglicher Extremisten die wirklich gefährlichen Leute herauszufischen. Ein im Justizvollzug entwickeltes Verfahren soll dabei helfen.

Jérôme Endrass ist Stabschef des Amts für Justizvollzug, das zur Direktion von Jacqueline Fehr (SP) gehört. Er ist der Zürcher Kopf einer gut vernetzten internationalen Forschungsszene, die sich mit der Frage befasst, wie man Extremisten und andere wirklich gewaltbereite Leute in der Masse der verdächtigen Personen erkennen kann.
Nach zehnjähriger Vorarbeit scheint nun ein entsprechendes Instrument vorzuliegen: Es heisst Octagon und ist seit wenigen Tagen in Zürich im Einsatz, wie Endrass gestern an einem Mediengespräch mit Justizdirektorin Fehr in Winterthur ausführte. Die Online-Version des Tools sei allerdings noch nicht fertig, weshalb man vorerst mit der Papierversion arbeite.
Gewichtete Tätermerkmale
Vereinfacht gesagt handelt es sich um eine Checkliste mit acht Dimensionen (darum Octagon), die Punkt für Punkt durchgearbeitet werden muss. Es geht dabei darum, die verdächtige Person aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Charaktereigenschaften und deliktische Vorgeschichte sind nur zwei der acht Dimensionen, die angeschaut werden.
«Entscheidend ist die soziale Gruppe, in der eine Person verkehrt»
Die einzelnen Tätermerkmale werden gewichtet, damit ein differenziertes Bild entsteht. Ein Spinnendiagramm (Spider), ähnlich wie es in der Politik Verwendung findet, zeigt auf, wo die relevanten Risikofaktoren bei einer Person liegen. Entsprechend kann die Polizei bei ihrer Arbeit Ansatzpunkte finden. Bei einem Jihadisten sei die Ideologie nur ein Faktor von vielen. «Entscheidender ist die soziale Gruppe, in der die Person verkehrt», sagte Endrass.
Er umriss die Problemstellung so. Weltweit gebe es rund 50 Millionen Personen, die den Jihad ideologisch unterstützten. Nur ganz wenige seien aber bereit, Anschläge auszuführen. Genau diese gelte es zu erfassen, wofür Octagon gute Dienste leiste.
Die bisherigen Instrumente hätten den Nachteil, dass sie mit Wahrscheinlichkeiten rechneten und damit viel zu viele mögliche Gefährder auf den Radar brächten. Deshalb sei die Arbeit mit Wahrscheinlichkeiten in der Risikoforschung umstritten.
Justizdirektorin Fehr sagte es so: «Es hat viel zu viele Personen auf der Gefährder-Liste, das neue Instrument erlaubt es, dass Leute auch einmal von der Liste entfernt werden können.» Dabei könnten allerdings auch Fehler passieren, räumte sie ein. Der Vorteil sei aber, dass man rascher ans Ziel komme.
Solidarität unter Gemeinden gefordert
Laut Endrass macht die Kantonspolizei bereits erste praktische Versuche mit der Papierversion von Octagon. Das Instrument diene nicht nur der Polizei zur Identifizierung von Jihadisten und Gewalttätern, sondern könne auch von Schulbehörden oder der Kesb eingesetzt werden. «Octagon respräsentiert den neuesten Stand des Wissens», sagte er.
«Octagon respräsentiert den neuesten Stand des Wissens»
Das gestrige Mediengespräch war das zweite einer Serie, mit der Regierungsrätin Fehr Einblick in die Tätigkeit ihrer Verwaltung geben will. Vor einem Jahr berichteten ihre Fachleute über den Aufbau einer muslimischen Seelsorge. Über den Stand der Dinge, werde sie demnächst informieren. Als zweites Thema kam vor jahresfrist auch die Krisenintervention im Gefängnis Limmattal zur Sprache, die sich nun im Aufbau befindet. Auch gestern hatte Fehr ein zweites Thema zur Hand: Die Funktionsfähigkeit der Gemeinden im Zeithorizont 2030.
Unter dem Titel «Plattform Gemeinden 2030» führen verschiedene Gemeindevertreter Gespräch miteinander und tauschen Erfahrungen aus. Katrin Hauser, Stadtschreiberin von Dietikon, berichtete von ihrer Stadt, die bis 2030 ein 17-prozentiges Bevölkerungswachstum erwartet und viel zu tun hat mit der Integration. Dabei hapere es noch mit der Solidarität der Gemeinden, sagte sie.
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