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Meinung

Trump will «fast sicher den Notstand erklären»

Kann sich ein Nachgeben beim Mauerbau gemäss seiner Einschätzung politisch nicht leisten: Donald Trump spricht in Washington zu Journalisten. (10. Januar 2019)
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Der liberale Historiker Arthur Schlesinger verfasste 1973 ein vielbeachtetes Buch mit dem Titel « Die imperiale Präsidentschaft». Die Macht der Exekutive, so Schlesingers Klage, sei zusehends bedrohlich geworden, längst übersteige sie die Intention der amerikanischen Verfassungsväter.

Seitdem ist die Machtfülle der Präsidenten weiter angewachsen: George W. Bush zog die Nation in den herbeigelogenen Irakkrieg, ohne dass ihm der Kongress in die Parade gefahren wäre. Und Barack Obama regierte mit einer Fülle teils fragwürdiger Exekutivdekrete, um republikanische Kongressmehrheiten zu umgehen.

Nun droht neuerlich eine Eskalation präsidialer Anmassung: Donald Trumps Anwälte bereiten im Weissen Haus die gesetzliche Grundlage für die Ausrufung des nationalen Notstands vor – um endlich die Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen zu können. Vom Kongress bereits bewilligte Pentagon-Gelder sollen abgezweigt werden, die Militärs eine Grenzbefestigung bauen, die von den Demokraten abgelehnt wird und im Kongress nicht die erforderliche Mehrheit fände. Er werde «fast sicher den nationalen Notstand erklären», sagte der Präsident am Donnerstag.

Video: Trumps Rede an die Nation

Trump hat sich verrannt

Das Fundament für diesen Schritt legen Trump und seine republikanischen Mitstreiter seit Tagen, indem sie wieder und wieder eine «humanitäre Krise» sowie eine «Bedrohung der nationalen Sicherheit» beschwören, auch wenn diese an der Südgrenze so nicht existieren. Doch Donald Trump hat sich verrannt, seine Basis und seine Fans in konservativen Medien verlangen lautstark das Bauwerk an der Grenze. Nachzugeben und auf die geforderten 5,7 Milliarden Dollar zum Mauerbau zu verzichten gliche einer Kapitulation, die sich der Präsident gemäss seiner Einschätzung politisch nicht leisten kann.

Am Samstag begänne zudem der 22. Tag des teilweisen Shutdowns der US-Regierungsgeschäfte, die längste Lahmlegung des Staats wäre damit erreicht. Trumps theatralischen Bemühungen, die Demokraten zu erweichen, war kein Erfolg vergönnt, zunehmend sonderbar wirken seine Einlagen. Dass er am Donnerstag an die Grenze zu Mexiko flog, obschon er vor Vertrauten bekannte, der Trip werde «verdammt nichts verändern», widerspiegelt die festgefahrene Situation.

Als Ausweg bleibt eigentlich nur die Ausrufung des Notstands – ein gefährlicher Präzedenzfall. Zwar haben US-Präsidenten seit der Verabschiedung des Notstandsgesetzes 1976 bislang 58 Notstände ausgerufen, doch befassen sie sich zumeist mit der Verhängung von Sanktionen gegen andere Staaten und dergleichen. Niemals zuvor hat ein Präsident einen Notstand erklärt, weil ihm der Kongress die Gelder für ein von ihm gewünschtes Vorhaben verweigert.

Medienspektakel: Trump besucht die US-mexikanische Grenze. (10. Januar 2019, Foto: Reuters)

Eleganter Ausweg für Trump und Demokraten

Tatsächlich böte die Ausrufung des Notstands einen halbwegs eleganten Ausweg aus der Washingtoner Regierungskrise: Die Regierungsgeschäfte könnten mit Zustimmung des Kongresses sofort wieder aufgenommen werden, Trump wie die Demokraten behaupten, sie seien nicht eingeknickt.

Und der Aufschrei über den Machtmissbrauch des Präsidenten ginge einher mit der Erkenntnis, dass aus Trumps Mauer auf Jahre nichts werden wird. Denn auf die Ausrufung des Notstands folgten langwierige Kämpfe vor diversen Gerichten: Nicht nur die Demokraten zögen sofort vor die Richter, sondern auch zahlreiche Landbesitzer an der Grenze, die eine Enteignung befürchten müssten.

Wahrscheinlich verginge das Wahljahr 2020, ohne dass eine Mauer oder ein Stahlzaun Mexiko und die USA trennte. Donald Trump hätte neuerlich ein Wahlkampfthema, wieder könnte er den Bau einer Mauer versprechen – allerdings während einer zweiten Amtszeit, die er vielleicht nicht erhält.