Kolumne «Tribüne»Tage in Burma
Ursula Gut-Winterberger, Regierungsrätin 2006–2015 und Gemeindepräsidentin Küsnacht 1998–2006, erinnert sich an eine bewegende Reise.

Im Februar 2017 haben mein Mann und ich Burma besucht. Der Aufbruch war spürbar. Die faktische Präsidentin Aung San Suu Kyi, ihr Mut und ihre Unbeugsamkeit gegenüber dem Militär wurden im Inland verehrt und im Ausland bewundert und mit internationalen Preisen geehrt.
Später fragte man sich, ob all die Ehrungen berechtigt gewesen waren. Das Schweigen von Aung San Suu Kyi zu der Vertreibung und Ermordung von Rohingyas passte so gar nicht zu der Persönlichkeit, die für ihren Einsatz für demokratische Verhältnisse grosse persönliche Opfer auf sich genommen hatte. War sie eine strenge Buddhistin ohne religiöse Toleranz, die sich nicht von extremen Mönchen unterschied? Hatte sich der Druck des Militärs auf sie wieder verstärkt? Am 1. Februar dieses Jahres putschte das Militär gegen die demokratisch gewählte Regierung unter Aung San Suu Kyi. Seither reisst die Gewalt des Militärs gegen die Demonstranten nicht ab.
In diesen Tagen denken wir an Burma: an Yangon, mit der grossartigen und gleichzeitig irritierenden goldenen Shwedagon-Pagode, an die prächtige Flussfahrt von Mandalay nach Bagan, die ganz wunderbare Pagodenlandschaft aus dem 12. Jahrhundert in Bagan und den traumhaft schönen Inle-See mit seinen schwimmenden Gärten und seinen Pfahlbauten. Es gibt schöne Gebäude im Kolonialstil in Burma zu bewundern. Das stimmungsvolle Gedicht «Mandalay» von Rudyard Kipling romantisiert die koloniale Zeit. Ganz anders das Werk «Burmese Days» (auf Deutsch: Tage in Burma) von George Orwell. Es zeichnet ein dekadentes spätkoloniales englisches Milieu, einen feinen indischen Arzt und einen burmesischen Emporkömmling mit grosser opportunistischer und krimineller Energie.
Vor allem aber denken wir an Menschen, die wir kennen lernten: die junge Frau, die erfolgreich einen Kurs in englischer Aussprache bei der amerikanischen Botschaft besucht hatte, an einen Führer, der gestand, ein Hindu zu sein, und der mit seinen historischen Erzählungen und politischen Beurteilungen so viel Humor, aber auch Sarkasmus bewies, und die wunderbare gebildete Führerin, die gestand, eine Agnostikerin zu sein. Sie alle hatten die Hoffnung auf eine sich weiter verbessernde Zukunft ausgestrahlt.

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