Bereit für die Krönung
Fabienne Schlumpf möchte an der WM ihre Saison veredeln. Mit starken Leistungen rückte die Steeple-Läuferin der TG Hütten vermehrt ins Blickfeld und muss deshalb lernen, mit mehr Druck umzugehen.

Sieg um Sieg, Rekord um Rekord über verschiedene Distanzen: Für Fabienne Schlumpf ist 2017 bisher alles aufgegangen. Jetzt aber folgt an den Weltmeisterschaften in London die wichtigste Woche der Saison. Schlumpfs Vorfreude darauf ist gross, ihr Anspruch hoch. «Ich will meine Saison krönen», sagt sie voller Selbstbewusstsein. Was das konkret heisst? Die Wetzikerin will im WM-Final die beste Leistung des Jahres zeigen. Am Mittwoch steht ihr Vorlauf über 3000 m Steeple an, wo sie sich das Ticket für den zwei Tage später stattfindenden Final sichern möchte.
Schlumpf startet zum zweiten Mal nach 2013 in Moskau an einer WM. Die Premiere endete mit einer Enttäuschung. Sie wurde im Vorlauf nach einem guten Auftritt disqualifiziert, weil sie beim Wassergraben die Linie übertreten hatte. Zwei Jahre später knackte die vielseitige Läuferin die WM-Limite erneut, verzichtete wegen Überlastungssymptomen aber auf einen Start.
Seither gibt es von Fabienne Schlumpf ausschliesslich Erfreuliches zu berichten. Die Frohnatur ist längst an einem ganz anderen Punkt ihrer Karriere angelangt. Sie hat auf internationalem Parkett reichlich Erfahrung gesammelt, wurde 2016 EM-Fünfte, stand im Olympiafinal von Rio de Janeiro und im Juni in Oslo als Dritte auch erstmals in der Diamond League auf dem Podest. In der norwegischen Hauptstadt war es auch, wo sie letztmals Schweizer Rekord lief – zum zweiten Mal dieses Jahr. Und: Innerhalb von drei Saisons hat sich Schlumpf in ihrer Spezialdisziplin, in der das Niveau Jahr für Jahr weiter ansteigt, um rund 16 Sekunden verbessert.
«Weiss, was ich zu tun habe»
Bei 9:21,65 Minuten steht ihre persönliche Bestzeit mittlerweile – nur eine Europäerin war heuer überhaupt schneller. Es ist die deutsche Gesa Felicitas Krause, die an der letzten WM überraschend Bronze gewann. Die Deutsche gehört in London zumindest zum erweiterten Kreis der Medaillenanwärterinnen, auch wenn es für sie wohl kaum ein Vorbeikommen an den zahlreichen starken afrikanischen Läuferinnen gibt.
In der ersten Reihe hinter der breiten Spitze reiht sich derweil Fabienne Schlumpf ein. Sie liegt in der Weltjahresbestenliste an 15. Stelle und gehört im mehr als 40-köpfigen Feld zu den Kandidatinnen für einen der 15 Finalplätze. Schon vor Beginn der Saison hatte sich Schlumpf den Finaleinzug zum Ziel gesetzt. Und nichts deutet darauf hin, dass ausgerechnet an der WM ihr Höhenflug enden sollte. «Ich bin gut vorbereitet und weiss, was ich zu tun habe.»
Noch ist zwar unklar, in welchem der drei Vorläufe sie starten wird und welche Gegnerinnen auf sie warten. Doch Schlumpf kündigt an, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. «Ich werde nicht nur einen Plan A, sondern auch einen Plan B und C haben.» Und hilft das alles nicht weiter, kann sie noch immer gut improvisieren.
Innehalten, dann geniessen
Schlumpf packt die Aufgabe mit viel Zuversicht an. Auch ihr letztes Höhentrainingslager im Engadin brachte sie ohne jedwede Schwierigkeiten hinter sich. Und sie hat sich auf die speziellen Umstände an der WM gewissenhaft vorbereitet. Da ist die gestiegene Erwartungshaltung, mit der sie zurechtkommen muss. Schlumpf ist mit ihren starken Leistungen ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gerückt. Spricht man über die Schweizer Leichtathletik, fallen nicht nur die Namen von Hürdenläufer Kariem Hussein oder Sprinterin Mujinga Kambundji, sondern auch jener von Fabienne Schlumpf. Der Finaleinzug wird von ihr erwartet.
Kommt hinzu, dass die Athletin der TG Hütten auch stärker ins Bewusstsein ihrer Gegnerinnen gerückt ist. «Meine Leistungen wurden wahrgenommen. Das ist schön, aber neu. Ich muss mir dieser Situation bewusst sein.» Zusammen mit Sportpsychologe Gareth Morgan hat Schlumpf ihre veränderte Ausgangslage thematisiert, sich mit ihm darauf vorbereitet. Ebenso auf das lautstarke englische Publikum. Rund 60'000 Zuschauer werden im Olympiastadion für eine einmalige Atmosphäre sorgen. «Ich bin noch nie vor so vielen Leuten gelaufen. Es ist eine Masse, die durchaus einschüchternd wirken kann», ist sie sich bewusst. Schlumpf hat sich deshalb vorgenommen, beim Betreten der Arena einen Moment innezuhalten, um die Atmosphäre aufzusaugen, daraus Energie zu ziehen. «Dann will ich das Ganze geniessen.»
Kopf lüften im Büro
Erst am Montag flog Schlumpf in die englische Hauptstadt, in der schon seit Freitagdie Leichtathletik-Titelkämpfe laufen. Eine frühere Anreise hätte aus Sicht der routinierten Athletin keinen Sinn gemacht. «Ich weiss mittlerweile, wie es an solchen Anlässen abläuft, muss nicht mehr frühzeitig alles abchecken. Und man darf nicht vergessen, dass das ganze Drumherum jeweils anstrengend ist.»
Die Energie spart sich Schlumpf lieber auf – für ihre Auftritte auf der Bahn. Zuletzt hat sie ein paar sportlich ruhige Tage im Zürcher Oberland verbracht, nur noch in reduzierter Form trainiert. Dafür arbeitete die bei der Gemeinde Wetzikon in einem 20-Prozent-Pensum angestellte 26-Jährige in der vergangenen Woche. Nicht manch andere WM-Starterin dürfte dasselbe getan haben. «Das war körperlich ja nicht anstrengend», sagt Schlumpf dazu lachend. Die Zeit im Büro hat ihr gutgetan. Zugleich genoss sie, dass ihr viele Arbeitskollegen Glück wünschten. «Das war ein richtiger Motivationsschub.»
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