Tipps der PsychologinSo überwinden Sie Liebeskummer
Wer von einer geliebten Person verlassen wird, kann leiden wie auf Drogenentzug. Eine Psychotherapeutin beschreibt, wie man wieder aus dem Loch herausfindet.

Die erschlagende Nachricht erreichte Sven per Whatsapp: Lisa teilte ihm mit, dass sie die Beziehung per sofort beende. Sie fühle sich eingeengt, teilte sie dem 36-Jährigen mit: «Ich kriege keine Luft mehr.»
Sven war perplex. Zwar hatte er schon bemerkt, dass seine Partnerin sich in letzter Zeit etwas rarer gemacht hatte. Dass sie nun aber nach bald drei Jahren derart abrupt und endgültig Schluss machte, kam dennoch überraschend.
Kurz nach seiner gescheiterten Ehe hatte Sven sich heftig in Lisa verliebt. Die beiden teilten kulturelle Interessen und gingen gern zusammen wandern. Kürzlich hatten sie sogar darüber gesprochen zusammenzuziehen. Und nun dies.
Sven fiel in ein Loch. Nach der Trennung konnte er kaum essen und schlafen, nahm einige Kilos ab, trank zu viel, und seine Gedanken drehten sich ständig um seine Ex-Partnerin. An einigen Tagen schrieb er ihr mehrere Nachrichten, die sie meist unbeantwortet liess. Einmal ging er sogar zu ihrem Haus und versuchte, sie durch das Fenster zu erspähen. Um sich abzulenken, stürzte er sich schliesslich vermehrt in die Arbeit und ging fast täglich joggen.
Wie Drogenentzug oder Schmerzen
Sven ist eine erfundene Person – oder vielmehr ein Konstrukt aus verschiedenen Menschen, die schlimmen Liebeskummer erlebt haben. Für diesen Artikel liess sich aber niemand finden, der seine Geschichte eins zu eins veröffentlicht sehen wollte, nicht mal in anonymisierter Form.
Zu schmerzhaft und schambehaftet sind die Erlebnisse wohl für die Betroffenen. Denn eine Trennung oder Zurückweisung von einem geliebten Menschen kann uns in Zustände versetzen, die wir sonst kaum von uns kennen. Auch bekannte Persönlichkeiten haben schon ihren Ruf ruiniert, weil sie eine ehemalige Partnerin stalkten.
Der deutsche Psychiater Günter H. Seidler, der zu diesem Thema forscht, hält den Begriff Liebeskummer für eine Untertreibung: «Bei schwerer Ausprägung handelt es sich viel eher um eine posttraumatische Belastungsstörung», sagt Seidler.
Toxischer Gefühlscocktail
Studien haben ergeben, dass im Gehirn biochemische Prozesse auslöst werden, die einem Drogenentzug oder einer körperlichen Verletzung gleichen. Im Extremfall können sogar Herzbeschwerden auftreten, so etwa das «Broken-Heart-Syndrom», eine ernsthafte Herzmuskelerkrankung.

Betroffene seien eben einem ganz speziellen Mix verschiedener Gefühlsregungen ausgesetzt, erklärt Jacqueline Frossard (63), Psychotherapeutin aus Basel. Häufig gehe es um Groll, Bitterkeit, Wut, Verzweiflung und Kränkung. «Dies macht die Sache komplizierter als etwa eine Trauerreaktion nach einem Todesfall.» Kommt dazu, dass beim Tod einer nahestehenden Person eingespielte Rituale zur Verfügung stehen, bei denen die Hinterlassenen Zuwendung und Stütze erfahren. Dagegen wird der Verlust einer noch lebenden Person meist viel weniger ernst genommen oder gar belächelt.
Besonders bedrohlich sei eine ungewollte Trennung oft für junge Menschen mit noch wenig gefestigter Persönlichkeit, weiss Frossard. In solchen Fällen seien auch Äusserungen von Suizidgedanken ernst zu nehmen. Zwar hat die Psychotherapeutin in ihrer Beratungstätigkeit nur selten erlebt, dass Klienten explizit wegen Liebeskummer Hilfe suchen. Dies deute wohl darauf hin, dass die meisten Menschen mit der Zeit selber damit fertig würden, glaubt Frossard.
Häufig verberge sich Trennungsschmerz aber auch hinter Diagnosen wie Depressionen, Angst- oder Anpassungsstörungen. Anders als in der Schweiz gibt es in Deutschland Psychotherapeutinnen und Coachs, die sich auf das Thema Liebeskummer spezialisiert haben. Und sie werden richtiggehend überrannt.
Trauerarbeit bis zum Akzeptieren
Nach einer Trennung durchlaufe man häufig die klassischen Phasen einer Trauerreaktion, sagt Jacqueline Frossard: Am Anfang will man den Verlust nicht wahrhaben und glaubt noch nicht an die Endgültigkeit. Man bittet und fleht um eine weitere Chance. Manchmal kommt es dann ja tatsächlich zu einer erneuten Annäherung und im besten Fall zu einer Aufarbeitung der ungünstig verlaufenen Entwicklungen. Falls nicht, folgt häufig eine Zeit der aufbrechenden Emotionen. Die Verlassenen schimpfen auf die oder den Ex und lassen kein gutes Haar an der Person. Aber auch positive Erinnerungen und heftiges Vermissen gehören in diese Zeit der gefühlsmässigen Wechselbäder.
In der nächsten Phase ist das Reflektieren und innere Verhandeln an der Reihe. Verlassene beginnen, Begebenheiten und Charakterzüge umzudeuten, und erkennen die Schattenseiten der verflossenen Beziehung. Etwa, was man alles aufgegeben hat dafür. Oder dass der Geliebte nicht nur erfrischend spontan war, sondern als Kehrseite der Medaille eben auch unzuverlässig. Und dass dies häufig mühsam und kränkend war.
Manchmal hilft ein Ritual
Auf dem Boden der Realität angelangt, können Betroffene zu einer angemessenen Art des Trauerns finden. «Mit der Partnerschaft verliert man ja häufig auch vieles mehr, was im Leben wichtig war», sagt Frossard. So etwa einen Teil des Freundeskreises, Verwandte des Ex-Partners, gemeinsame Aktivitäten oder gar den vertrauten Wohnort. Nun gelte es, neue Perspektiven zu entwickeln.
«Manche finden ein Ritual oder eine kleine Zeremonie hilfreich, um loszulassen», schlägt Frossard vor. Zum Beispiel könne man den Namen der Person auf ein Papier schreiben und dieses verbrennen. Sinnvoll findet sie es auch, die stärksten Erinnerungsstücke von der vordersten Front wegzuräumen – etwa Fotos vom Arbeitsplatz oder dem Startbildschirm zu entfernen.
«Eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Erlebten und den eigenen Gefühlen schafft eine gute Basis, um etwas Neues aufzubauen.»
Wie lange der Prozess dauert, bis man den Verlust akzeptiert hat, sei sehr unterschiedlich, betont die Psychotherapeutin. Wichtig sei einfach, sich der Verarbeitung zu stellen, statt sich Hals über Kopf in eine neue Beziehung zu stürzen und sich so abzulenken. «Eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Erlebten und den eigenen Gefühlen schafft eine gute Basis, um etwas Neues aufzubauen.» Wer das Gefühl hat, nicht weiterzukommen und in unfruchtbaren Gedankenspiralen zu verharren, sollte Hilfe suchen.
Sven, der so stark unter der Trennung von Lisa gelitten hatte, erholte sich nach etwa einem halben Jahr allmählich wieder. Rückblickend hatte er einige ungünstige Muster erkannt, die sich in der Beziehung entwickelt hatten. Er belebte vernachlässigte Freundschaften wieder und schloss sich einem Wanderclub an.
Bald fühlte er sich wieder frei für eine neue Liebesbeziehung und streckte die Fühler aus. Diesmal mit klareren Vorstellungen, was für eine Frau zu ihm passen könnte.
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