So krempeln Aldi, Amazon & Co. den Schweizer Detailhandel um
Ökonomen der Credit Suisse haben nachgezeichnet, wie ausländische Anbieter den Schweizer Markt aufmischen.

Mit neuen Daten und Umfragen haben Ökonomen der Credit Suisse in einer Studie anschaulich nachgezeichnet, wie sich der Schweizer Detailhandel in den letzten Jahren verändert hat. Zunächst die gute Nachricht: Die Branche konnte den Umsatz im vergangenen Jahr leicht steigern. Doch die Ökonomen stellten fest, dass Detailhändler hierzulande im internationalen Vergleich hinterherhinken: Zwischen 2005 und 2017 haben sich in fast keinem westeuropäischen Land die Umsatzzahlen so zögerlich entwickelt wie in der Schweiz, schreiben die Analysten.
Das zeigt sich auch bei der Zahl der Beschäftigten: Während die Zahl der Mitarbeiter im Detailhandel in diesem Zeitraum fast überall in Westeuropa stieg, nahm sie in der Schweiz um drei Prozent ab. Dieser Rückgang in der Schweiz fiel dabei umso stärker aus, je näher sich ein Gebiet an einem ausländischen Supermarkt befand – und damit stärker dem Einkaufstourismus ausgesetzt war.
Die Autoren der Studie schauten sich denn auch genauer an, wie die ausländische Konkurrenz den Schweizer Detailhandel generell verändert hat. Dabei unterschieden die Analysten drei Phasen, in denen ausländische Konkurrenten hiesigen Anbietern auf unterschiedliche Art und Weise Marktanteile abringen konnten.
- Zwischen 2005 und 2010 wuchsen vor allem ausländische Anbieter, die in der Schweiz eine physische Präsenz aufbauten – prägend waren im Speziellen die Markteintritte der Discounter Aldi und Lidl.
- Von 2010 bis 2015 stieg dann der Druck durch den Einkaufstourismus. Hier ist die Frankenaufwertung besonders wichtig, die Einkäufe im grenznahen Ausland preislich deutlich attraktiver gemacht hatte.
- Ab 2015 gewannen dann ausländische Onlinehändler wie Amazon und Zalando Marktanteile dazu.

Im Lebensmittelgeschäft sieht es nach 14 Jahren Aldi und 10 Jahren Lidl so aus, als ob die beiden Grossverteiler Migros und Coop nach ersten Verlusten ihre führende Stellung weitestgehend behaupten können. Sie verloren bei den Lebensmitteln zunächst zwar etwa zehn Prozentpunkte ihres Marktanteils an Discounter, doch seit 2015 verbuchen sie jährlich stabil rund 58 Prozent. Die Schweiz ist also weder ein von Migros und Coop regiertes Duopol noch ein Discounter-Land.
Der Verlust von Marktanteilen muss dabei nicht unbedingt mit einem Umsatzeinbruch in absoluten Zahlen einhergehen, wie das Beispiel Denner zeigt. Der Discounter im Besitz der Migros hat zwar seit 2010 ebenfalls rund zehn Prozent seines Anteils am Discounter-Segment an Aldi und Lidl verloren, doch in absoluten Zahlen wuchs Denners Umsatz – weil das Segment als Ganzes grösser wurde.

Mit der Finanzkrise und der späteren Eurokrise kam dann der entscheidende Effekt ins Spiel, der zunächst den Einkaufstourismus und dann auch ausländische Onlinehändler befeuerte: das Preisgefälle zwischen der Schweiz und dem Ausland, das durch die Frankenaufwertung in vielen Produktkategorien noch extremer wurde. Speziell nach dem Frankenschock im Januar 2015 war der Preisaufschlag hierzulande gegenüber Deutschland regelrecht explodiert. Der Detailhandel wird durch den technologischen Fortschritt also generell internationalisiert. Doch Schweizer Händler müssen zusätzlich noch gegen das Preisgefälle kämpfen.

Wie wird sich der Schweizer Detailhandel in diesem Umfeld gegen den wachsenden Onlinehandel behaupten können? Hier wagen die Ökonomen eine Prognose: Sie sagen dem Onlineriesen Amazon kein leichtes Spiel in der Schweiz voraus. Die Analysten sehen drei Gründe, wieso Amazon hierzulande nur schwer eine ähnliche Dominanz wie in den USA, Grossbritannien oder Deutschland erlangen würde.
- Schweizer kaufen schon länger bei Amazon: Die Bevölkerung konnte schon lange einen Teil der Produkte beziehen und in die Schweiz liefern lassen, musste jedoch die Zollabrechnung selbst begleichen. Der Markteintritt von Amazon findet also nicht «urplötzlich», sondern seit Jahren schleichend statt.
- Die Schweiz ist keine «grüne Wiese» mehr: Amazon wurde 1998 in Deutschland und 2000 in Frankreich aktiv. Das Unternehmen hatte in diesen Ländern den «First Mover»-Vorteil: Es gab keine namhafte Konkurrenz im neuen Markt. In der Schweiz sieht das heute ganz anders aus.
- Amazon wächst über Drittanbieter, die nicht in die Schweiz liefern: Amazon bietet in der Schweiz Produkte aus dem eigenen Lager an. In Deutschland wächst das Unternehmen allerdings über den Marktplatz, wo Drittanbieter Amazon als Plattform benutzen, um ihre Waren anzubieten. Ohne diese Kooperation würde das Unternehmen wohl weniger stark wachsen – und hier hätten Schweizer Händler als Drittanbieter auch einen entscheidenden Standortvorteil.
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