Ski-Euphorie beim NachbarnSie trainieren hier seit Jahren. Ist Österreichs Vorteil an der Heim-WM unfair?
Marco Odermatt sagt, die heimischen Skifahrer hätten den Hang vor der WM schon 50-mal befahren. In diesem Winter durfte keine andere Nation in Saalbach trainieren. Was sagen die Beteiligten?

- Österreich hat entgegen den Erwartungen im Medaillenspiegel aufgeholt.
- Die Trainings am Zwölferkogel werden als Heimvorteil wahrgenommen.
- Ein Blick zurück zeigt: Der Heimvorteil an Ski-Weltmeisterschaften war in der Vergangenheit begrenzt.
Es ist Montagmorgen in Saalbach, knapp die Hälfte der WM-Rennen sind gefahren, und Herbert Mandl ist gut gelaunt. Der Alpinchef beim österreichischen Skiverband Ski Austria hat in der ersten Woche schon manche Medaille bejubeln können.
Zum Auftakt der Einzelrennen gab es Super-G-Gold durch Stephanie Venier, tags darauf Super-G-Silber durch Raphael Haaser. Und auch in den Abfahrten gab es zweimal Silber durch Mirjam Puchner und Vincent Kriechmayr. Es ist ein Start, den die Österreicher in anderen Jahren mit einem Achselzucken hingenommen hätten. Doch 2025 löst er eine Welle der Euphorie aus.
Von der Tristesse, die wegen der dürftigen Resultate im Weltcup befürchtet wurde, von den «Watschn», die es absetzen würde, ist nichts zu sehen. «Wir sind sehr zufrieden», sagt Mandl. «Wir haben den Team-Event versemmelt, aber bei den vier Speedrennen lagen wir über den Erwartungen, das muss ich klar sagen.» Österreich belegt hinter der Schweiz Rang 2 im Medaillenspiegel.
Es herrscht also ganz gute Stimmung im Salzburgerland. Und die Frage kommt auf: Ist es Zufall, dass es Österreich gerade bei der Heim-WM so gut läuft, viel besser als erwartet?
Wie jede Nation, die eine Heim-WM austragen kann, haben die Österreicher das Maximum an Vorteilen herausgeholt. Heisst konkret: Sie haben in den vergangenen Jahren immer wieder Wettkämpfe auf diesem Hang ausgetragen, etwa die nationalen Meisterschaften. «Unsere Teams trainierten auch oft hier, aber es waren auch andere Nationen da, der Vorteil ist jetzt nicht eklatant», sagt Mandl.
Keine anderen Nationen eingeladen
In diesem Winter weilten seine Athletinnen und Athleten nur in der ersten Januarwoche am Zwölferkogel, weil es die Beschneiung und Schneesituation nicht früher zuliess. Fahrer und Fahrerinnen aus anderen Ländern waren nicht dabei. «Wir waren zeitlich limitiert», sagt Mandl, «zudem haben auch die Europacupteams mittrainiert. Es gab keine Möglichkeit, noch andere Nationen einzuladen.»
So sagt Marco Odermatt vor dem Super-G, die Österreicher seien in Saalbach wahrscheinlich schon 50-mal heruntergefahren. «Daher sind sie die Favoriten.» Auch SRF-Experte Beat Feuz ist sich sicher, Österreichs Speedfahrer hätten von den vielen Trainings am WM-Berg profitiert. Herbert Mandl gibt zu, wegen der vielen Kuppen und Übergänge sei es nützlich, den Hang gut zu kennen.
Dank der guten Beziehungen von Trainer Franz Heinzer konnte zumindest das Schweizer Europacupteam der Männer in der jüngeren Vergangenheit auf einem Teil der WM-Piste trainieren – Franjo von Allmen und Alexis Monney hat das gewiss nicht geschadet, was sie mit Gold und Bronze in der Abfahrt verdeutlichten. Heinzer triumphierte 1991 bei der letzten WM in Saalbach in der Königsdisziplin.
Die Schweizerinnen durften gar nie nach Saalbach
Dass in der Frauen-Abfahrt mit Breezy Johnson, Mirjam Puchner und Ester Ledecka drei Athletinnen die Medaillen holten, die in diesem Winter nie auf dem Podest standen, sei derweil nicht ganz überraschend, sagt der Schweizer Alpinchef Hans Flatscher, «die Strecke war eben für viele Neuland».

Gemäss Flatscher durften die Schweizerinnen nie auf der WM-Piste trainieren, und beim Weltcupfinal letzten März fand die Abfahrt wegen Schneeknappheit mehrheitlich auf dem Kurs der Männer statt. «Die Österreicherinnen hatten sicher einen kleinen Vorteil», sagt Flatscher, «aber unfair ist das nicht.» In den drei Abfahrtstrainings letzte Woche hätten sich sämtliche Athletinnen an die Strecke gewöhnen können.
Was für die Speed-Athleten und -Athletinnen gilt, muss für die Techniker und Technikerinnen nicht zwingend gelten. Zwar haben auch Österreichs Slalom- und Riesenslalom-Cracks in Saalbach-Hinterglemm trainiert, «doch da ist der Vorteil verschwindend klein. Der Hang ist nicht so schwer, er ist mittelsteil und hält keine speziellen Passagen bereit», sagt Mandl.
Auch die Schweiz war 2017 im Vorteil
Der Schweizer Alpinchef Flatscher glaubt, dass die Österreicherinnen und Österreicher dank der Erfahrungen im Skigebiet mit einem Gefühl der Sicherheit nach Saalbach gereist sind, zudem würden sie die Euphorie des guten Starts ausnutzen. «So war das auch bei uns 2017 in St. Moritz, als wir eher über den Erwartungen lagen.»
Die Schweiz gewann damals sieben Medaillen. Im Vorfeld hatten sie zwar kaum auf der WM-Piste trainieren können, aber weil die nationalen Meisterschaften zuvor häufig im Engadin stattfanden, war die Delegation mit den Strecken durchaus vertraut.
Alles in allem aber war der Heimvorteil an Ski-Weltmeisterschaften in den vergangenen 20 Jahren begrenzt – zumindest suggeriert das der Blick auf die Medaillenausbeute.
Österreich holte 2013 zwar acht Medaillen, diese waren aber auch erwartet worden. Zu verblüffen wussten 2007 die Schweden daheim in Åre, als sie, angeführt von Superstar Anja Pärson, dreimal Gold und je zweimal Silber und Bronze gewannen.
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