Im Schatten der Stars um OdermattIhn bewacht sogar die Polizei – das sind die speziellsten Figuren der Ski-WM
Sie reden ungehemmt, kleiden sich seltsam oder dürfen nur ohne Landesflagge auf die Strasse: Die etwas anderen Geschichten aus Saalbach.

Lauren Macuga: Die Frau mit dem Fischerhut
Ihr Markenzeichen? Der Fischerhut. Rund 30 Exemplare hat Lauren Macuga mittlerweile, die Sammlung will sie laufend erweitern. «Sie sehen doch lustig aus», sagt die Amerikanerin, die sich selbst als «ziemlich verrückt» bezeichnet.
22 ist Macuga, noch vor einem Jahr kannte sie kaum jemand, nun gehört sie zu den besten Speedfahrerinnen der Welt. In Saalbach gewinnt sie im Super-G Bronze, danach hat sie gemeinsam mit Mutter Amy im Studio des Schweizer Fernsehens einen emotionalen Auftritt. Die Tränen fliessen bei beiden, und Macuga ist derart aufgewühlt, dass sie ihren Pokal vergisst. SRF-Expertin Tina Weirather bemerkt es und rennt ihr, Livesendung hin oder her, nach.

Macuga ist beliebt im Weltcup, weil sie fast immer strahlt und gute Laune verbreitet. Schon am Morgen vor ihrem ersten Weltcupsieg Mitte Januar im Super-G von St. Anton reservierte sie in einem Partylokal einen Tisch für den Abend, «man muss ja vorsorgen», sagte sie schmunzelnd. Sie kommt aus einer überaus sportlichen Familie: Bruder Daniel fährt Rennen der zweitklassigen Nordamerika-Serie, die Schwestern Samantha und Alli gehören im Skispringen respektive im Buckelpistenfahren zur erweiterten Weltspitze.
Die Fischerhüte trägt Macuga übrigens auch deshalb, weil sie zuletzt vergebens einen Kopfsponsor suchte. Darauf weist ein dickes Fragezeichen auf ihrem Helm hin. Mit der WM-Medaille als Verhandlungsargument dürfte sich das bald ändern.
Daniel Hemetsberger: Der Mann mit dem schwarzen Humor
Daniel Hemetsberger ist eher unscheinbar. Solange sein Mund geschlossen ist. Doch sobald der Oberösterreicher zu reden beginnt, herrscht Popcorn-Stimmung.
Der 33-Jährige unterhält mit seinen Sprüchen und seinem schwarzen Humor. Als er im Training von Kitzbühel einen Schlag erwischte, sagte er: «Es war, wie wenn dir einer eins auf die Birne haut. Da denkst du auch: Was war das jetzt? Doch mitten im Steilhang konnte ich nicht raus oder stehen bleiben, also versuchte ich einfach, weiterzufahren.» Ob ihm solche Situationen zu denken geben? «Mein Vorteil: Rechts ist eh kein Kreuzband mehr drin, da kann nichts reissen.» Und warum lässt er sich nicht operieren? «Zwei von drei Möglichkeiten sind ausgeschöpft, aber am rechten Oberschenkel hätte ich noch ein Ersatzteil in Form einer Quadrizepssehne, aus der könnten wir ein Kreuzband basteln. Die linke habe ich schon verbraten.»

Solange er sich bewege – und er sei ein Bewegungsmensch durch und durch –, habe er so weit keine Schmerzen. «Aber ja, es ist ein Scheiss, und ich werde in zehn bis fünfzehn Jahren massive Probleme haben. Auf der anderen Seite lebe ich meinen Traum. Jetzt aufzuhören und zu sagen: Ich habe mich zwar zerstört, aber ich bin nicht dorthin gekommen, wo ich hinwollte – Stichwort: Weltcupsieg –, ist für mich keine Option.» Aber die Resultate müssten schon kommen, «einen alten Platzhalter brauchen wir nicht».
Hemetsberger sagt in Kitzbühel: «Wenn ich die restliche Saison so weiterfahre, tue ich mir das im nächsten Winter nicht mehr an. Manchmal hocke ich in meinem Zimmer, bin völlig am Boden und denke: Alter, was geht da ab? Da frage ich mich nur: Soll ich mich gleich aufhängen oder erst später?» Man solle das bitte nicht wörtlich nehmen, fügt er noch an.
In der Abfahrt von Kitzbühel wird Hemetsberger dann Vierter, an der WM reicht es immerhin zu Rang 7. Er dürfte weitermachen. Und weiter unterhalten.
Sabrina Simader: Die österreichische Kenianerin
Im Super-G erlebt sie einen Schreckmoment, als sie aus der Balance gerät und in hohem Tempo durchs letzte Tor fährt. Im Ziel steht Sabrina Simader noch etwas unter Strom und sagt: «Schwein gehabt. Ich sah mich schon im Krankenwagen.»
Zwei Tage später wird die 26-Jährige in der WM-Abfahrt 28., mit 4,73 Sekunden Rückstand. Es ist etwa ihr Standard-Rückstand, den sie auch im Weltcup hat. Seit 2017 fährt sie in diesem mit. Als erste Afrikanerin überhaupt.

Aufgewachsen ist Simader in der kenianischen Küstenstadt Kilifi in einfachsten Verhältnissen, es gab keinen Strom, Wasser musste aus einem Brunnen geholt werden. Die Mutter lernte einen durch Afrika reisenden Österreicher kennen und lieben. Sie zog mit der Tochter nach Oberösterreich, vom Äquator in die Alpen – welch ein Kulturschock. Der Stiefvater betrieb einen Skilift und wurde zum Förderer, er starb aber unerwartet früh.
Simader gab den Traum von der Skikarriere nicht auf. Wobei sie in der Jugend deplatzierte Kommentare von Offiziellen, Eltern und Konkurrentinnen hörte. An einem FIS-Rennen sagte eine Fahrerin zu ihrem Vater: «Ich war sogar langsamer als diese Afrikanerin.» Es beschäftigte Simader stark, doch sie lernte, die Ohren auf Durchzug zu schalten. Mittlerweile erlebt sie keine Ausgrenzung mehr.
In Afrika ist Simader bekannt, sie stand auf dem Cover von «Forbes Africa», fürs Umweltprogramm der Vereinten Nationen war sie das Gesicht einer Kampagne, die auf den illegalen Handel mit bedrohten Tierarten aufmerksam machte. In diesem Winter erhält sie erstmals Unterstützungsgelder aus Kenia, weshalb schon klar ist, dass sie bis zu den Olympischen Spielen 2026 in Italien weitermachen will. Qualifiziert ist sie bereits.
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Barnabas Szöllös: Nur mit neutraler Kleidung raus
Für einmal war er das grosse Thema in der Skiwelt, Barnabas Szöllös, ein Hinterherfahrer, eine Randnotiz im Weltcup. Ihn hat es an diesem Mittwoch Mitte Januar 2024 schwer erwischt im Training zur Abfahrt auf der Kitzbüheler Streif. Wer die Bilder sah, wie es den Israeli nach einer Kuppe zusammenlegt, auf die pickelharte Piste schmettert, ihm dabei der Helm wegfliegt und er in die Netze knallt, der musste das Schlimmste befürchten. Der 26-Jährige kommt mit einer Gehirnerschütterung, mit Brüchen im Kiefer und im Gesicht sowie Prellungen davon.
Szöllös kämpft sich zurück, in Saalbach bestreitet der gebürtige Ungar seine vierte WM. Im Super-G scheidet er aus, in der Abfahrt reicht es für Rang 37, doch das war noch längst nicht alles. Er werde sämtliche Rennen bestreiten, sagt Szöllös. Die Teamkombination am Mittwoch fährt er mit seinem Bruder Benjamin, auch im Riesenslalom und im Slalom will er antreten.

Die WM im Salzburgerland ist eine ganz spezielle für ihn. Die Familie Szöllös ist wegen des Skisports von Ungarn nach Österreich gezogen, da waren die Kinder noch klein. In Wien gingen Barnabas, Benjamin und Schwester Noa in den Kindergarten, später zog die Familie in die Steiermark, wo der Nachwuchs die Skihauptschule besuchte.
Weil sich die Szöllös 2018 mit dem ungarischen Verband verkrachten, kam es zum Nationenwechsel: Die Kinder treten seitdem für Israel an, wo der Vater als Trainer engagiert war und dessen Staatsbürgerschaft er hat. Wegen der aktuellen Lage im Nahen Osten werden sie in Saalbach besonders beschützt. Polizisten patrouillieren im Hotel rund um die Uhr. Und um nicht Gefahr zu laufen, ausserhalb der Unterkunft Aufsehen zu erregen, müssen er und seine Geschwister neutrale Kleider tragen.
Ester Ledecka: Sie verblüfft mit Snowboard und Ski
Als ORF-Moderator Rainer Pariasek ihr sagt, das Programm für Olympia 2026 sei angepasst worden, hüpft Ester Ledecka im Ziel von Saalbach auf und ab. Die Rennen der alpinen Skifahrerinnen und Snowboarderinnen sollen bei den Spielen in Italien doch nicht an denselben Tagen stattfinden, so zumindest geht ein Gerücht, das in den letzten Tagen aufkam. Es wäre eine wunderbare Nachricht für Ledecka.
Denn die Frau hat nicht nur soeben Bronze in der WM-Abfahrt der Alpinen geholt, sie ist auch brillant, wenn es darum geht, auf einem Brett die Pisten hinunterzukurven. Von ihren letzten 12 Snowboardrennen in Parallelriesenslalom und -slalom hat sie 8 gewonnen, zuletzt Ende November in China. In Pyeongchang 2018 hat es die 29-Jährige fertiggebracht, mit Snowboard (Riesenslalom) und Ski (Super-G) Olympiasiegerin zu werden. Die Gegnerinnen mussten sich manchen Spruch anhören.

Mittlerweile hat sich Ledecka längst festgesetzt in beiden Welten und pendelt zwischen diesen. Tomas Bank, Bruder des einstigen Skifahrers Ondrej Bank, ist ihr Skitrainer, zum Team gehören ein Servicemann, ein Physiotherapeut und ein Snowboardcoach. Die wichtigste Person aber ist Mutter Zuzana, eine einstige Eiskunstläuferin, in den tschechischen Medien als «graue Eminenz» bezeichnet, weil sie öffentlich nicht redet.
Sie trieb die Karrieren ihrer Kinder Ester und Jonas voran, der ebenfalls Snowboard fuhr, mittlerweile aber als Comiczeichner und Musiker aktiv ist. Auch dieses Talent kommt nicht von ungefähr: Papa Janek Ledecky ist in der Heimat ein Pop-Superstar.
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