Pablo Escobar und seine FamilieSieben Jahre lang merkte sie nicht, wie er sein Geld verdiente
Was tun, wenn der Gatte ein Psychopath ist? Pablo Escobars Witwe weiss Rat.

Vor 27 Jahren hat eine Sondereinheit der Polizei ihren Ehemann erschossen, als er in Medellín barfuss über ein Dach zu flüchten versuchte. Sein Schatten liege seither über ihr und richte in ihrem Leben nur Schaden an, sagt sie – mit einer Ausnahme: Wenn sie über Psychopathen, Traumata, Resilienz und die «Umdeutung» von schrecklichen Erlebnissen spreche, dann verleihe ihr die Erinnerung an ihren Gatten besondere Glaubwürdigkeit.
Victoria Eugenia Henao ist die Witwe von Pablo Escobar. Offiziell heisst die 60-Jährige heute María Isabel Santos Caballero. Ihren ursprünglichen Namen liess sie zu einer Zeit ändern, als sich die Verwandtschaft mit dem kolumbianischen Drogenboss noch nicht für eine Geschäftsidee eignete.
Frauen am Limit
In einem Interview mit dem kolumbianischen Magazin «Semana» erzählt Henao, sie arbeite neuerdings als Coach. Auf ihrer Website ist sogar von «ontologischem Coaching» die Rede, also Beratung zum Sein und Seienden schlechthin. «Ich habe versucht, die Erfahrungen meines Lebens als Inspirationsquelle für andere Menschen zu nutzen», sagt Henao. Zuerst hätten sie einzelne Personen um Rat gefragt, dann immer häufiger auch Frauengruppen: «Die ‹Frauen in Schwarz› aus Uruguay, die ‹Frauen am Limit› aus Mexiko, Gruppierungen aus Madrid, Barcelona, Ungarn.» Manchmal werde sie auch von Firmen für Vorträge verpflichtet.
Einen umfangreichen Erfahrungsschatz an erschütternden Erlebnissen hat Victoria Eugenia Henao tatsächlich vorzuweisen. Sie war fast noch ein Kind, als sie der 11 Jahre ältere Escobar zu umschwärmen begann. Mit 15 riss sie von zu Hause aus, um den späteren Anführer des Medellín-Kartells zu heiraten. «Pablo Escobar war ein liebenswerter Romantiker und Verführer, ein Poet und immer ein guter Vater», sagt sie im Interview mit «Semana».

Es habe sieben Jahre gedauert, ehe sie gemerkt habe, womit er sein Geld verdiente. Eines Tages sei er nach Hause gekommen und habe gesagt, die Familie müsse sofort fliehen. Mit ihrem siebenjährigen Sohn seien sie dann auf dem Weg nach Panamá durch den Urwald geirrt. Weil Henao im achten Monat schwanger gewesen sei, habe sie ein Arzt begleitet. «Die Vorstellung, meine Tochter Manuela könnte im Dschungel zur Welt kommen, versetzte mich in Panik.»
«Escobar war ein Psychopath. Aber ich habe diese Tragödie überlebt.»
Ein andermal überlebte die Familie wie durch ein Wunder ein Bombenattentat von Escobars Feinden, das ihre ganze Wohnung zerstörte. Danach hätten sie und die Kinder monatelang nicht mehr im Dunkeln einschlafen können. Nach Escobars Tod floh die Familie zunächst nach Moçambique, weil kein anderes Land bereit war, sie aufzunehmen. «Diese Erfahrung war ein Horror», erzählt Henao.
Wo sind die Gefühle?
Später gelangten sie inkognito nach Buenos Aires, wo Escobars Witwe heute noch lebt. Als ihre wahre Identität bekannt wurde, habe sie ihre Tochter Manuela von der Schule nehmen müssen.
Über ihr Leben an Escobars Seite hat Henao eine Autobiografie geschrieben, die teilweise begeistert rezensiert wurde. «Escobar war ein Psychopath», sagt sie heute. Wie alle Psychopathen habe er keinen Kontakt zu seinen eigenen Gefühlen gehabt. «Aber ich habe diese Tragödie überlebt, ich habe mich neu erfunden», sagt Henao. Durch einfühlsames Fragen könne sie anderen helfen, dasselbe zu erreichen.
Anfangs seien ihre Tipps und Anweisungen gratis gewesen, jetzt verlange sie etwas. Laut ihrer Website beträgt dieses Etwas 99 Dollar für eine Stunde Videocoaching. Um mit den eigenen Gefühlen in Kontakt zu treten, scheint das akzeptabel.
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