Nachruf auf Monica VittiSie war eine Ikone des italienischen Kinos
Die Schauspielerin Monica Vitti, die einst in Filmen von Michelangelo Antonioni zum Star wurde, ist im Alter von 90 Jahren gestorben.

Rom in den Fünfzigerjahren muss eine Verheissung gewesen sein – besonders für eine junge Frau, die zum Film wollte. Monica Vitti, Jahrgang 1931 und Römerin qua Geburt, studierte zu einer Zeit an der Accademia Nazionale d’Arte Drammatica, als Italien das Zentrum des europäischen Autorenfilms war. Lange bevor die Nouvelle Vague und der Neue Deutsche Film loslegten, gab es hier das wildeste, wagemutigste Kino.
Vitti hatte zunächst am Theater gearbeitet, spielte Brecht, Molière und Ionesco, bis ein kleiner Synchronjob ihr den Weg ebnete, um zum Gesicht des italienischen Autorenfilms zu werden. 1957 hatte Michelangelo Antonioni «Il grido» gedreht, und in Italien war es lange Zeit üblich, Dialoge nicht am Set als Originalton aufzunehmen, sondern erst später in der Postproduktion, manchmal auch mit anderen Schauspielern als denen, die im Film zu sehen sind. Vitti synchronisierte also für Antonioni, und der Regisseur sah sofort, dass er einen künftigen Star vor sich hatte.
Allein, die junge Frau verstand das nicht. Sie hat es in Interviews später oft erzählt, weil sie so gar nicht dem drallen Schönheitsideal der Nachkriegsjahre entsprach: «Mein Körper hat nordische Masse, bereits als Mädchen meinten unsere Bekannten, ich sei Schwedin, Engländerin oder Deutsche.» Sie bezeichnete sich als «die am wenigsten schöne Person» in ihrer Familie.

Natürlich wurde sie trotzdem zum Star in den Filmen Antonionis, mit dem sie auch privat einige Jahre liiert war. Als Erstes drehten sie gemeinsam «L'avventura» (1960), dessen etwas dümmlicher deutscher Verleihtitel («Die mit der Liebe spielen») leider die epochale Kraft dieses Werks verschleiert. Eine Gruppe Freunde macht einen Ausflug zur Insel Panarea, eine der Teilnehmerinnen verschwindet, und die Freunde machen sich auf die Suche nach ihr.
Monica Vitti ist Claudia, ihr blondes Haar weht im Wind wie ein ewiges Rätsel, verführerisch, aber auch gefährlich. Es ist eine Abenteuergeschichte, eine Liebesgeschichte, aber auch eine Geschichte über die Leere des Menschen in der Moderne, seine Bindungsunfähigkeit, seine Einsamkeit. Martin Scorsese ist einer der grössten Fans dieses Films geworden, «ein Film», sagte er «der mich erschüttert». Vitti und Antonioni drehten noch mehrere andere Werke, die zu Klassikern der Sechzigerjahre werden sollten: «La notte», «L’eclisse», «Il deserto rosso».
Dass sie andere Menschen zum Lachen bringen konnte, war für Vitti selbst eine Offenbarung.
Nach der Trennung von Antonioni, künstlerisch wie privat, gelang Vitti, was nur wenigen Schauspielern gelingt: Sie baute sich eine Zweitkarriere auf, jenseits des Autorenfilms, als Komödiendarstellerin mit perfektem Timing, zu einer Zeit, in der es in Italien fast nur männliche Komiker gab. Die Entdeckung, dass sie andere Menschen zum Lachen bringen konnte, sagte sie, sei eine Offenbarung gewesen, nach den vielen ernsten Filmen: «Entsetzen löst sich auf in Lachen.»
Am Mittwoch ist Monica Vitti, die sich nach der Jahrtausendwende wegen einer Alzheimererkrankung aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte, im Alter von 90 Jahren gestorben.
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