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Schiffsfünfliber als Entwicklungshilfe für Demokratie

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Der Schiffszuschlag hat grosse Wellen geschlagen. Nun sind diese sogar in Fernost angekommen. Vier Monate nach dessen Abschaffung steht der unpopuläre Aufpreis für Kursfahrten auf Zürichsee und Limmat im Zentrum einer Dokumentation für das Fernsehen in Südkorea. Der Schiffsfünfliber, der ein Drittel Fahrgäste kostete und zu Entlassungen in der Bordgastronomie führte, wurde als Paradebeispiel gewählt für die Wirkung einer Volksinitiative. Am Freitag war Drehttag in Zürich — natürlich an Bord der Zürichsee Schifffahrtsgesellschaft ZSG.

Am Schiffsteg Bürkliplatz in Zürich machen sich zwei der Iniatianten der Volksinitiative zur Abschaffung des Schiffsfünflibers bereit zum Interviewmarathon während der eineinhalbstündigen Kleinen Rundfahrt. «Ich freue mich, die Vorzüge unseres politischen Systems zu zeigen», sagt Jonas Erni (SP, Wädenswil). Thomas Forrer (Grüne, Erlenbach) sieht den Nachhilfeunterricht in Sachen Direkte Demokratie auch als «beste Gelegenheit, unseren schönen Zürichsee zu präsentieren ­ noch dazu an solch einem prächtigen Tag.»

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Kantonsrat Jonas Erni erklärt dem TV-Team aus Südkorea, wie es zur Initiative zur Abschaffung des Schiffszuschlags kam.
Kantonsrat Jonas Erni erklärt dem TV-Team aus Südkorea, wie es zur Initiative zur Abschaffung des Schiffszuschlags kam.
«Diesen Fünfliber muss man heute nicht mehr an der Schiffskasse zahlen»: Der Grünen-Kantonsrat Thomas Forrer aus Erlenbach veranschaulicht dem Team des südkoreanischen Fernsehsenders mit dem «Corpus delicti», wie der Schiffszuschlag Politik und Menschen bewegt hat.

Wandel in Sicht

Munho Hur ist Produzent der Dokumentation des Senders MBC. Er erklärt, weshalb ausgerechnet der Schiffsfünfliber für die Südkoreaner so interessant ist. «Unsere neue Regierung strebt eine Verfassungsänderung an.» Die zentralistische Staatsform soll einem System weichen, in dem die Regionen mehr Selbstbestimmung erhalten. Auch die Direkte Demokratie ist Thema des Wandels. «Wir sind beeindruckt von der Volksinitiative als Instrument, wichtige Entscheidungen in der Politik zu bewirken», sagt Hur. Er schwärmt geradezu von der Direkten Demokratie als Stimme des Volkes, die von der Regierung erhört werden müsse. «Das ist entscheidend für die Entwicklung eines Landes», sagt er.

Dolmetscherin Young Mi You aus Richterswil hat für das Team die Idee geliefert und die Kontakte zu Erni und Forrer geknüpft. Auch die Schifffahrt war ihre Vorschlag. «Mir schien der Schiffszuschlag ideal, weil er ein gutes Beispiel ist, wie eine Volksinitiative sogar schon wirkte, wenn gar keine Abstimmung stattfindet.» Das spare nicht nur Kosten, sondern zeige, wie stark dieses Druckmittel sei. «Ausserdem lässt sich dieses Thema gut verfilmen, das gibt schöne Bilder vom Zürichsee», sagt Young Mi You.

Rechnung ohne Volk gemacht

Abwechselnd stehen Forrer und Erni Hochdeutsch Red und Antwort vor der Kamera. Auf Deck, am Tisch im Inneren, vor den Panoramafenstern des Schiffs erzählen sie über den Werdegang des Schiffsfünflibers, über den Widerstand zuerst in der Bevölkerung und in den Medien, dann im Kantonsrat. Fast ein Dutzend Vorstösse im Parlament richteten sich gegen den Zuschlag.

«Wir sind beeindruckt von der Volksinitiative als Instrument, wichtige Entscheidungen in der Politik zu bewirken.»

Munho Hur, Produzent TV MBC Südkorea

Sie berichten von politischen Allianzen, Unterschriftensammlungen und vor allem von der im Februar lancierten Volksintiative zur Abschaffung des Schiffsfünflibers. Erni erwähnt die Medien als vierte Macht im Spiel. Vor allem die Zeitungen hätten dank ausführlicher Berichterstattung und Leserbriefen zur breiten Streuung des Themas beigetragen. Forrer erklärt den Südkoreanern den Zürcher Verkehrsverbund mit dem Slogan «Ein Ticket für alles - Ich bin auch ein Schiff». Dieses sei mit dem Zuschlag gebrochen worden, was Forrer zur Aussage bringt: «Man muss Politik immer mit der Bevölkerung machen, beim Schiffsfünfliber hat aber die Politik die Rechnung ohne die Bevölkerung gemacht.»

Doku und vier Diskussionen

Im Herbst wird das 51-Millionen-Volk von Südkorea die Botschaften vom Zürichsee vernehmen. Geplant sind eine einstündige Dokumentation und vier 90-minütige Diskussionen à la «Arena» zu Föderalismus und Direkte Demokratie.

Gut möglich, dass der Schiffsfünfliber Südkorea auf den Weg zu mehr Mitbestimmung von Regionen und Volk verhilft. Erni und Forrer werden dort nationale Berühmtheit erlangen. Ihnen nützt das hier allerdings nichts. Im Herbst beginnt ihr Wahlkampf für die Kantonsratswahlen im nächsten Frühling. Dabei kann ihnen Südkorea nicht helfen.