SBB sollen wieder Nachtzüge fahren lassen
Die Jungen Grünliberalen machen sich dafür stark, dass die SBB wieder eine Nachtzug-Flotte betreibt. Eine andere Staatsbahn macht damit Profit.

Wer heute über Nacht mit dem Zug in die Ferien fahren will, wird bei vielen Destinationen nicht sehr erholt ankommen: Den Reisenden nach Amsterdam etwa bieten die SBB eine Verbindung an, während der sie viermal umsteigen müssen, das letzte Mal in Maastricht, wo sie um 0.40 Uhr aussteigen und fünf Stunden im dunklen Bahnhof ausharren, bevor sie weiterfahren können. Reisezeit: 14 Stunden und 55 Minuten.
Seit 2009 lassen die SBB keine Nachtzüge mehr fahren. Nur die Österreichischen Bundesbahnen bieten aus der Schweiz noch direkte Verbindungen in ihrem Nightjet oder im Euronight ihres Partners an, allerdings nur nach Hamburg, Berlin, Wien, Graz, Prag, Zagreb und Budapest.
Eine Alternative zum Flugzeug
Die Jungen Grünliberalen Schweiz wollen dies nun ändern: Jürg Grossen, Nationalrat und Präsident der Grünliberalen, wird für sie eine Interpellation zu diesem Thema einreichen. Darin wollen sie vom Bundesrat wissen, ob die SBB in ihrer neuen Strategie Nachtzüge vorsehen und ob sie den Bedarf danach abgeklärt haben. Bestehen keine Pläne für Nachtzüge, werden die Grünliberalen mit einer verpflichtenden Motion solche einfordern. Dabei setzen sie nicht nur auf die Unterstützung der Linksparteien, sondern auch der Freisinnigen.
Für Tobias Vögeli, Co-Präsident der Jungen Grünliberalen, ist es unverständlich, dass die SBB keine Nachtzüge mehr anbieten: «Die Schweizer sind Weltmeister im Fliegen. 18 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in der Schweiz werden von der Luftfahrt verursacht.» Damit die Schweiz die Klimaziele erreiche, brauche es Alternativen zum Fliegen.
Mehr Fahrgäste schlafend transportiert
Die SBB haben die Nachtzüge aufgegeben, weil die Nachfrage danach unter anderem wegen der tiefen Flugpreise gesunken ist. Die Belegung des Nachtzugs nach Rom etwa hatte sich seit 2002 halbiert, gleichzeitig war das Defizit alleine von dieser Verbindung auf 3 bis 4 Millionen Franken pro Jahr gestiegen.
Tobias Vögeli ist jedoch überzeugt, dass sich Nachtlinien wirtschaftlich erfolgreich betreiben lassen. Das bewiesen die Österreichischen Bundesbahnen. Erst letzte Woche haben sie bekannt gegeben, dass sie die Zahl der Fahrgäste, die sie in Europa schlafend ans Ziel bringen, im Laufe des vergangenen Jahres von 1,4 auf 1,6 Millionen steigern konnten. Nun haben die ÖBB zusätzliche Nachtzüge bestellt. Die Jungen Grünliberalen gehen davon aus, dass auch in der Schweiz die Nachfrage nach Nachtzügen steigt. Die Klimastreiks an Schulen etwa zeigten, dass die Jungen heute klimafreundlich reisen wollten – es fehle aber das Angebot.
Zugabteil mit Dusche
Die Entwicklung der vergangenen Jahre spricht für die Nachtzüge, ist Vögeli überzeugt. Das Fliegen sei unattraktiver geworden, weil die Passagiere heute wegen der aufwendigen Sicherheitsvorkehrungen oft schon zwei Stunden vor Abflug im Flughafen sein müssten. Gleichzeitig sei es komfortabler geworden, im Nachtzug zu reisen.
Die heutigen Züge haben nichts mehr mit den früheren gemein, als bis zu sechs Personen in einem Abteil auf schmalen Pritschen lagen, Frauen und Männer im selben Abteil, es roch streng und es wurde geschnarcht. Heute führen die ÖBB in ihren Schlafwagen nur noch Abteile für maximal drei Personen, jedes verfügt über ein Waschbecken, Deluxe-Abteile auch über Dusche und WC. Und zur Begrüssung werden Welcome-Drinks serviert.
Allerdings: Reisende im Nachtzug zahlen noch immer deutlich mehr als jene, die fliegen. Bahnfahrer geben für Zürich–Hamburg retour in einem Dreierabteil im Nightjet 299 Franken aus, Flugpassagiere können bereits ab 79 Franken reisen. «In der Schweiz wird das Fliegen kräftig subventioniert», sagt Vögeli. Flieger zahlten in der Schweiz keine Flugticket-Abgabe und anders als Bahn- oder Busreisende auch keine Mineralölsteuer oder Mehrwertsteuer. Würden auch die externen Kosten auf den Preis der Flugtickets erhoben, würde das Fliegen viel teurer.
SBB-Flotte ist verkauft
Die SBB indessen denken nicht daran, wieder Nachtzüge einzusetzen, wie es auf Anfrage heisst. Sie haben ihre Flotte auch längst verkauft. Wie eine Sprecherin sagt, unterstützen sie aber die ÖBB in der Schweiz, etwa im Marketing, bei der Zugführung, der Zugbegleitung oder bei der Rangierung.
Die ÖBB betreiben ihre Nightjets vom ersten Jahr an kostendeckend. Wie machen sie das? Sie verfügen über ein relativ grosses Nachtzugnetz, das 20 Prozent zu ihrem Fernverkehrsumsatz beiträgt, wie ihr Sprecher Bernhard Rieder auf Anfrage sagt. Bei der Deutschen Bahn, die ihre Nachtzüge 2016 einstellte – auch jene in die Schweiz – war es nur ein Nischengeschäft.
Die ÖBB übernahmen darauf auch Linien der Deutschen Bahn, woraus sich zusätzliche Synergien ergaben: Nightjets von München nach Venedig können zum Beispiel in Salzburg mit den Nachtzügen aus Wien vereinigt werden. Kosten konnten die ÖBB auch senken, indem sie die Nightjets nicht selber bewirtschaften, sondern diese Aufgabe an einen internationalen Caterer ausgelagert haben.
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