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Manipulierte Fahrkarte
Mit einem simplen Trick benutzte eine Frau ihr Zugbillett zweimal

SBB-Zugbegleiter im Gang eines Zuges zwischen Zürich und Luzern, 20. März 2017.
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In Kürze:
  • Eine 60-jährige Frau soll Fahrkarten manipuliert haben, um diese mehrfach zu nutzen.
  • Ein Gericht verurteilte sie wegen mehrfacher Urkundenfälschung.
  • Die Richterin fand ihre Erklärungen «sehr vage und nicht glaubhaft».
  • Die Verurteilung führte zu einer bedingten Geldstrafe, einer Busse von 600 Franken und Verfahrenskosten von 2100 Franken.

Montagabend im Interregio von Konstanz nach Zürich: Dem Kontrolleur fällt auf, dass das Billett einer Passagierin schon an einem früheren Tag benutzt worden ist. Er nimmt ihre Personalien auf und zieht das Ticket ein. 

Zwei Monate später in der S-Bahn zwischen Stettbach und Zürich: Eine Frau weist eine Mehrfahrtenkarte vor, die offensichtlich manipuliert ist.

In beiden Fällen handelt es sich um denselben Fahrgast, eine 60-jährige Frau, die am rechten Zürichseeufer wohnt. Die SBB, die seit einiger Zeit härter gegen Reisende ohne gültiges Billett vorgehen, zeigen die Frau an. Kürzlich ist sie deswegen am Bezirksgericht Meilen erschienen. Dort nimmt sie schüchtern vor der Einzelrichterin Platz, ohne Verteidiger. Sie spricht mit leiser Stimme, sodass ihre Worte kaum zu vernehmen sind. Die dicke Winterjacke zieht sie im warmen Gerichtssaal nicht aus – als benötigte sie einen schützenden Mantel vor der Justiz.

Klebeband wegradiert

Doch was genau hat die Beschuldigte getan? Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, in beiden Fällen die Fahrkarte so bearbeitet zu haben, dass sie das Billett ein zweites Mal gebrauchen konnte. Für den Zug von Konstanz nach Zürich hatte sie eine Tageskarte verwendet, die sie für 49 Franken gekauft hatte. Das Entwertungsfeld, in welches der Stempelautomat das Datum aufdruckt, soll sie mit einem transparenten Klebestreifen versehen haben.

Eine Hand schiebt eine Mehrfahrtenkarte in einen Ticketautomaten in Zürich für die VBZ. Foto von Sabine Rock, 6. Februar 2025.

Nachdem sie das Billett das erste Mal verwendet hatte, so der Vorwurf, entfernte sie den Klebestreifen mit dem aufgedruckten Datum, damit das Feld wieder leer war. Mit einem weiteren Klebeband an der Seite der Fahrkarte – dort, wo der Automat jeweils eine Ecke wegstanzt – simulierte sie gemäss Anklageschrift das fehlende Stück Karton. Dadurch konnte sie das Ticket erneut abstempeln.

Einen ähnlichen Kniff soll die Beschuldigte in der Zürcher S-Bahn angewendet haben. Offenbar benutzte sie dieses Mal für das Entwertungsfeld eine lackähnliche Substanz, die sich wegradieren liess. Dies ergab ein forensisches Gutachten der Kantonspolizei. Die SBB hatten eigens ein solches in Auftrag gegeben. 

Mit den Kindern gebastelt?

Vor Gericht streitet die Beschuldigte ab, dass sich all dies wie geschildert zugetragen hat. Ja, die Tageskarte habe sie bearbeitet, räumt die Deutsche zwar ein. Sie fügt aber an: «Wir haben mit den Kids gebastelt.» Eine Bekannte mit Kindern sei zu Besuch gewesen, und sie habe mit ihnen gespielt. Die manipulierte Tageskarte sei danach in der Bastelkiste gelandet.

Später habe sie nach Konstanz und zurück reisen wollen – selbstverständlich mit einem gültigen Billett. «Aber ich habe mich vergriffen und die falsche Tageskarte erwischt. Ich weiss nicht, wie das geschehen konnte.»

Eine andere Geschichte tischt sie der Richterin im zweiten Fall auf. Ihr sei «Klebe in der Tasche ausgelaufen». Alles sei verschmiert gewesen, auch die Mehrfahrtenkarte. «Ich war an dem Tag nicht ganz bei der Sache.»

Die Richterin hingegen ist dies sehr wohl: Sie will von der Beschuldigten wissen, weshalb denn nur die beiden obersten Datumsfelder mit der lackähnlichen Substanz überzogen gewesen seien. Die Mehrfahrtenkarte, gibt die Frau zur Antwort, habe sich in einer Plastikhülle befunden, und nur der obere Teil habe hinausgeschaut. Die Richterin lässt aber nicht locker. Und wie erkläre die Beschuldigte denn, dass sie innerhalb kurzer Zeit zwei Mal aufgrund eines Missgeschicks mit veränderten Billetten erwischt worden sei? «Das war Zufall.»

«Sehr vage und nicht glaubhaft»

An einen Zufall mag das Gericht aber nicht glauben. Es folgt dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilt die Beschuldigte wegen mehrfacher Urkundenfälschung und mehrfachen geringfügigen Erschleichens einer Leistung. Die Richterin bezeichnet ihre Aussagen als «sehr vage und nicht glaubhaft». Eine Flüssigkeit könne doch nicht haargenau über zwei Datumsfeldern auslaufen. Die Frau habe vorsätzlich gehandelt, die Täuschungsabsicht sei offensichtlich.

Wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, erhält die Beschuldigte eine bedingte Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 200 Franken. Es gilt eine Probezeit von zwei Jahren. Bezahlen muss die Frau hingegen eine Busse von 600 Franken sowie die Verfahrenskosten von 2100 Franken. Das ist ein beträchtlicher Gesamtbetrag: Damit könnte sie zum Halbtaxpreis 79 Mal von Zürich nach Konstanz und zurück fahren – ganz legal und mit echtem Billett.