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Prinz trifft Proletarier

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Es gibt wenige Dinge, die Harry Kane und Ola Toivonen verbinden. Die Grösse (189 Zentimeter) ganz sicher, der Anfangsbuchstabe ihrer Vereine (Tottenham und Toulouse), das Arbeitsgebiet. Stürmer sind sie beide, der eine ist ein Superstar, der andere ein Habenichts, Kanes Marktwert wird auf 150 Millionen Euro geschätzt – und ist damit 100-mal höher als jener Toivonens.

Heute treffen sie im WM-Viertelfinal in Samara aufeinander, England träumt dankt Kane vom Titel, Schweden zerstört mit Toivonen zuverlässig die Träume anderer. Vielleicht denkt Kane auch an Toivonen, wenn er sagt: «Wir spielen gegen eine disziplinierte, kampfstarke Truppe, bei der jeder genau weiss, was er zu tun hat.»

Schwerarbeiter: Ola Toivonen gewinnt das Kopfballduell gegen den Schweizer Johan Djourou. (Keystone)

Der Traumschwiegersohn

Manchmal verselbstständigt sich ein Hype, aktuelles Anschauungsbeispiel ist die Aufregung um Kane in England. Der junge Mann wird im ganzen Land verehrt, was mit seiner Torgefahr zusammenhängt, nicht nur an dieser WM, sondern auch in der Premier League, in der er in 153 Einsätzen 108 Treffer erzielt hat. Kane ist aber auch jedermanns und jederfraus Liebling, weil er gut erzogen ist, anständig und stets freundlich, ein Traumschwiegersohn, auf den sich alle verständigen können.

Nach dem Sieg im Elfmeterschiessen gegen Kolumbien diese Woche in Moskau sagte Kane, er geniesse den Moment, betonte aber beinahe in jedem zweiten Satz den Teamgedanken, die Solidarität, die Hilfe seiner Mitspieler. «Ohne sie wäre ich nichts wert.» Sechs Tore hat er in drei Einsätzen an der WM geschossen, mit 24 schon ist er Captain dieser jungen und sehr entwicklungsfähigen Auswahl. «Wir haben eine grosse Chance, Geschichte zu schreiben», sagte Kane, «aber wenn wir uns nicht auf das Spiel gegen Schweden fokussieren, landen wir hart.»

Alles, was mit «King Kane» («The Sun») und «Prinz Harry» (alle englischen Medien) zusammenhängt, wird dieser Tage hervorgekramt, auch dieses Foto aus dem Jahr 2005. David Beckham posiert anlässlich seiner gerade gegründeten Fussballakademie in London. Beckham ist da 29, Captain Englands, auf dem Bild ist auch ein pausbäckiger Junge zu sehen. Kane, damals 11, ist Junior bei Tottenham – dem Club, dem er bis heute die Treue hält (abzüglich mehrerer leihweisen Engagements). Auf der anderen Seite Beckhams steht ein Mädchen, Katie Goodland ist die Verlobte Kanes. Die beiden besuchten die gleiche Schule, verliebten sich mit 14, seit 2011 sind sie offiziell ein Paar.

Kane muss man einfach mögen

Ola Toivonen wird heute wenig Affinität zu Romantik, Kitsch und Hypes haben. Er ist das Gegenteil Kanes, ein Rumstreicher durch Länder und Ligen, spielte in Malmö, Eindhoven, Rennes, Sunderland, wieder Rennes, seit 2016 bei Toulouse. Arbeitgeber auf dem Wühltisch der europäischen Fussballclubs. In dieser Saison erzielte Toivonen in 23 Einsätzen für Toulouse null Tore. Vermutlich denkt Schwedens kapriziöser Ex-Superstar Zlatan Ibrahimovic an Toivonen, wenn er behauptet, er sei immer noch torgefährlicher als alle schwedischen Nationalspieler an der WM zusammen.

Die Schweden sind nicht nach Russland gefahren, um Spektakel zu liefern. Sie sind hier, um als Einheit, frei von Extravaganzen, ihren Weg fortzusetzen. Sie haben Holland in der Qualifikation hinter sich gelassen, Italien in der Barrage ausgeschaltet, die Gruppe mit Weltmeister Deutschland überstanden, zuletzt die Schweiz 1:0 geschlagen. So soll es weitergehen. Toivonen hat den Matchplan schon einmal durchgegeben: «Rennen, kämpfen, nerven.» Er wird mit Laufstärke, Wille, Fleiss vorangehen.

Schon erfolgreicher als Hurst

Ola Toivonen bestritt im Januar 2007 sein erstes Länderspiel, das war eineinhalb Jahre nach Kanes Bild mit Beckham (oder Beckhams Bild mit Kane). Er skort auch für Schweden nicht besonders oft, traf aber in der WM-Qualifikation beim 2:1 gegen Frankreich, war an der Entstehung des einzigen Tors in der Barrage gegen Italien beteiligt, schoss in der WM-Vorrunde einen herrlichen Treffer beim 1:2 gegen Deutschland.

Toivonen und die Schweden fürchten heute vor allem einen: Harry Kane. «Er ist gut in allem», sagt Captain Andreas Granqvist. «Wir können ihn nur gemeinsam stoppen.» Von seinen sechs WM-Treffern erzielte Kane übrigens keinen mit Absicht aus dem Spiel heraus. Er schoss drei Elfmetertore, traf zweimal nach einem Eckball, wurde beim 6:1 gegen Panama von Teamkollege Ruben Loftus-Cheek regelrecht abgeschossen. «Wir können uns noch steigern», sagt Kane, «aber Tore nach Standards sind eine Stärke von uns. Das sieht man auch an dieser WM.»

Tor ist Tor ist Tor, so sieht der pragmatische Goalgetter das. Harry Kane ist der erste englische Nationalspieler seit Tommy Lawton 1939, dem in sechs Länderspielen in Folge ein Treffer gelang. Irgendwann wird er bestimmt bester WM-Torschütze seines Landes sein, Gary Lineker steht bei 10 Treffern. Gegen Kolumbien überholte Kane mit seinem 6. Tor schon einmal Geoff Hurst, der 1966 im WM-Final gegen Deutschland (4:2) dreimal reüssiert hatte.

Es sind grosse, legendäre Namen, mit denen Harry Kane verglichen wird.