Nachruf auf den Meister der einhändigen StückePianist Leon Fleisher gestorben
Eine Erkrankung lähmte seine rechte Hand. Seine linke aber spielte grandios. Der US-Amerikaner wurde 92 Jahre alt.

Er war einer der interessantesten, fesselndsten unter den großen Pianisten des 20. Jahrhunderts. Die Beobachtung bewährt sich schon mit dem Namen seines Lehrers, denn einen wuchtigeren, radikaleren Wahrheitskronzeugen der deutsch-österreichischen Klaviermusik als den im amerikanischen Exil lebenden Artur Schnabel gab es nicht. Leon Fleisher, 1928 in San Francisco geboren, gehörte zu dem sehr kleinen Kreis von Schnabels Schülern.
Fleisher hatte, wie unter Virtuosenkollegen nahezu üblich, schon im relativ frühen Kindesalter seine ersten öffentlichen Auftritte, sogar mit dem New York Philharmonic Orchestra. Aber erst sein Musizieren mit George Szells Cleveland Orchestra machte Fleishers Klavierkunst unverwechselbar: Mit dem unerbittlich klangscharfzüngigen Maestro Szell gelangen Fleisher in den Fünfziger- und Sechzigerjahren Auftritte, vor allem Plattenaufnahmen, die durch ihre intellektuelle Energie bis heute bestechen: die Klavierkonzerte von Beethoven und Brahms, von Schumann und Grieg, Rachmaninow nicht ausgeschlossen. Fleishers bohrender Intellekt behinderte bei alldem nicht seine großartige emotionale Kraftentfaltung.
Erst Absturz, dann vielfältige Musikerkarriere
Dann der Absturz: Durch eine Krankheit, als «fokale Dystonie» diagnostiziert, verlor Leon Fleisher den künstlerischen Gebrauch seines rechten Arms. Was ihn zwang, sein Glück als linkshändiger Pianist zu suchen, wie nach dem ersten Weltkrieg der verwundete Pianist Paul Wittgenstein, für den dann Prokofjew, Ravel oder Strauss Konzerte schrieben. Mit großer Resonanz arbeitete Fleisher nun als Lehrer an Hochschulen, auch am legendären Tanglewood Music Center - mit Schülern wie Yefim Bronfman, André Watts oder Hélène Grimaud. Durch die Behinderung habe er eine vielfältigere Musikerkarriere gehabt denn als "konventioneller Pianist". Kurz vor der Jahrtausendwende erlangte auch seine rechte Hand wieder die Tastensicherheit, er veröffentlichte mehrere Aufnahmen. 1992 war er in die Academy of Arts and Sciences gewählt worden, 2007 wurde er mit dem Kennedy-Preis ausgezeichnet.
Gerade dieser Musiker hatte Grund, seine Autobiografie zu schreiben, mit Anne Midgette, der Musikpublizistin der Washington Post. Das Buch wurde im November 2010 veröffentlicht unter dem Titel «My Nine Lives». Zu diesem Leben gehörte die Familie, es war der Sohn Julian, welcher der New York Times den Tod Leon Fleishers in Baltimore jetzt bestätigte: «Mein Vater ist heute gestorben. Er war ein Mönch, der sich in der Kirche der Musik verschanzt hat. Er war auch ein netter Kerl. Ein guter Freund, der über all meine Witze gelacht hat. Ich werde ihn vermissen, aber die Melodie klingt weiter.»
Leon Fleisher ist am Sonntag 92-jährig in Baltimore gestorben.
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