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Flüchtlingselend in Bosnien
Ohne Dach in Schnee und Kälte

Warten auf Hilfe: Flüchtlinge in der Nähe des angebrannten Flüchtlingszentrums in Lipa. 
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Im Nordwesten von Bosnien-Herzegowina verschärft sich die Notlage Tausender gestrandeter Migranten. Am vergangenen Mittwoch hatte die Internationale Organisation für Migration (IOM) ein Camp namens Lipa auf Anordnung der Behörden geräumt, da dort grössere Umbauten nötig waren, um es winterfest zu machen. Im Laufe der Räumung legten mehrere der etwa 1200 Bewohner an den Zelten Feuer, um gegen die Aussichtslosigkeit ihrer Lage zu protestieren.

Es gab zu dem Zeitpunkt keinen Plan, wo die Menschen bleiben sollten. Die Mehrzahl von ihnen haust seither in leer stehenden Fabrikhallen, in Wäldern oder an Strassenrändern, so wie die etwa 1300 weiteren Migranten in der Region, die bereits zuvor ohne Unterkunft waren.

«Vor dem Erfrieren bewahren»

«Es ist eine verheerende, völlig sinnlose Notsituation», sagt Nicola Bay, Landesdirektor der Hilfsorganisation Danish Refugee Council (DRC), die derzeit mit sieben Teams in der Region unterwegs ist, um die Gestrandeten mit warmen Jacken, Schlafsäcken und Lebensmitteln zu versorgen. «Das sind Notmassnahmen, um die Menschen vor dem Erfrieren zu bewahren», sagt Bay, «aber es ist natürlich keine dauerhafte Lösung des Problems.»

Etwa 200 der Migranten aus dem geräumten Camp Lipa haben es laut DRC geschafft, an den Polizeisperren vorbei bis in die Hauptstadt Sarajevo zu gelangen. Mehr als 400 sind unterdessen zurück in das abgebrannte Camp geflüchtet – wo sie sich unter der einzigen noch intakten Zeltplane zusammendrängen, nämlich jener der früheren zentralen Essensausgabe.

Menschen drängen unter das letzte Zeltdach

«Die Lage dort ist absolut instabil und gefährlich», sagt Nicola Bay, «es hat in den vergangenen Tagen viel geschneit, und jetzt droht das Dach unter den Schneemassen einzustürzen.» Zudem könnten die frierenden Menschen bei ihren Versuchen, sich an kleinen Feuern zu wärmen, einen neuen Brand auslösen. Die Mitarbeiter des DRC versorgen vor Ort bereits immer mehr Menschen mit Erfrierungen.

Nur ein Zeltdach steht noch: Katastrophale Bedingungen im Flüchtlingszentrum Lipa. 

«Eine völlig überflüssige Tragödie», so beschreibt Peter Van der Auweraert die Lage im Nordwesten Bosniens. Der Belgier ist Landesdirektor der IOM und bemüht sich in diesen Tagen, mit den bosnischen Behörden eine Lösung für die gestrandeten Menschen auszuhandeln, bislang ohne Erfolg.

«Dabei gäbe es zumindest kurzfristig eine naheliegende Lösung», sagt er im Telefonat mit der Redaktion Tamedia: Etwa 20 Kilometer von Lipa entfernt steht ein weiteres Lager mit Platz für 1500 Menschen. Das Camp namens Bira steht leer, seit es Ende September auf Anordnung der lokalen Behörden geschlossen wurde – die Regierung des Kantons Una-Sana, an der abgeriegelten Grenze zum EU-Land Kroatien, sieht sich vom Rest des Landes im Umgang mit den Migranten alleingelassen.

Der bosnische Minister für Sicherheit, Selmo Cikotić, ordnete am vergangenen Mittwoch an, das leer stehende Camp Bira für die Menschen aus Lipa zu öffnen – doch die lokalen Behörden verhindern dies, zusammen mit aufgebrachten Einheimischen, die seit Wochen gegen die Präsenz der Migranten demonstrieren.

«Opfer einer politischen Blockade»

«Wenn man Bira jetzt aufschliessen würde», sagt Peter Van der Auweraert, «dann könnten es die Menschen binnen weniger Stunden beziehen, es ist noch alles da, die Zelte, die Ausrüstung. Es wurde ja auch seinerzeit mit Mitteln der EU gebaut. Am Geld fehlt es in dieser Notlage derzeit nicht – die Menschen sind vielmehr Opfer einer politischen Blockade.»

Die US-Botschaft in Sarajevo und die dortige Delegation der EU hatten vergangene Woche ihrerseits vergeblich an die bosnischen Behörden appelliert, das Camp von Bira wieder zu öffnen. Die EU-Kommission bezeichnete die Lage der Migranten in Bosnien-Herzegowina als «alarmierend» und forderte die Behörden des Landes auf, sich über ihre politischen Differenzen zu «erheben». Erst kürzlich hatte die EU ihre Mittel für die Versorgung von Flüchtlingen in Bosnien-Herzegowina um 25 Millionen Euro aufgestockt.