Geldberater: Der Marktschrei(b)erOC Oerlikon hat Chancen in vielen neuen Branchen
Swisscom wächst in Italien +++ GAM kommt nicht aus der Krise +++ Galenica hat getestet und geimpft +++ Harley-Davidson will nicht mehr nur röhren, sondern surren.

OC Oerlikon: Kaufen
Es mag ein kleiner Trost für die Aktionäre von OC Oerlikon sein, dass die Aktien jetzt langsam wieder das Kursniveau von vor Corona erreicht haben. Nach den ansprechenden Halbjahreszahlen des Industrieunternehmens legten die Titel gleich einmal 8 Prozent zu. Dennoch: Die Kurse der guten Jahre 2017 und 2018 sind ganz offensichtlich noch ein Stück weit weg. Immerhin liefert der Halbjahresabschluss einige Fakten, die zeigen, dass das Management strategisch denkend neue Chancen für die Zukunft erschliesst. In beiden umsatzmässig fast gleich grossen Sparten von Oerlikon, der Oberflächenbeschichtung und dem Bau von Produktionsmaschinen für Kunstfasern, kam es zu kleineren Akquisitionen. Diese versprechen Absatzchancen in vielen neuen Branchen. Oerlikon schwimmt derzeit auf einer dreifachen Erfolgswelle: dynamische Geschäftsentwicklung in der Post-Corona-Ära, anhaltend griffige Kostensenkungsmassnahmen und taufrische, umsatzrelevante Übernahmen. Das gibt den Aktien Potenzial nach oben. Kaufen
Swisscom: Halten
Wer den Namen Swisscom hört, denkt wohl zurzeit vor allem an die Ausfälle des Notrufnetzes im Juli oder des Internets im August. Die Halbjahreszahlen der Schweizer Marktführerin waren dagegen kein Ausfall. Der Telekommunikationskonzern steigerte sich beim Umsatz im ersten Halbjahr bis Ende Juni um solide 2,6 Prozent auf nunmehr 5,9 Milliarden Franken und beim durch Sondereffekte etwas verzerrten Gewinn um deutliche 42 Prozent auf 1,05 Milliarden Franken. Am Heimatmarkt gab es für die Swisscom wie schon in der Vergangenheit vor allem bei Privatkunden weniger zu holen. Wesentlich profitabler war das Geschäft mit den Schweizer Geschäftskunden. Das wichtigste Zugpferd ist unterdessen in Italien zu Hause: Die Swisscom-Tochter Fastweb war am umkämpften italienischen Mobilfunkmarkt sehr erfolgreich und konnte erneut deutlich wachsen. Ich denke, dass die Swisscom ihren soliden Kurs weiter beibehält und auch die Netzprobleme in den Griff bekommen wird. Daher rechne ich wie in den letzten Jahren wieder fest mit einer Dividende von 22 Franken. Halten
GAM: Meiden
GAM kommt nicht aus der Krise. Vergangene Woche legte der Asset-Manager Halbjahreszahlen vor. Bereits Mitte Juli hatte er einen Verlust in Aussicht gestellt, der sich jetzt auf 2,7 Millionen Franken beläuft. Enttäuschend ist einmal mehr der Stand der verwalteten Vermögen. In einem der besten Halbjahre für Vermögensverwalter der vergangenen zehn Jahre, in denen andere das Geld nur so nachgeworfen bekamen, verliert GAM im margenstarken Segment Investment Management 2,2 Milliarden Franken. Der Wert beträgt nun nur noch 34,8 Milliarden. Seit 2018 läuft dieser Aderlass fast ununterbrochen. Damit scheint das von GAM-Chef Peter Sanderson gesteckte Ziel von 100 Millionen Franken Vorsteuergewinn bis 2024 illusorisch. Bei dieser Vermögensbasis scheint selbst die schwarze Null kaum mehr machbar – trotz massiver Sparübung. Wenn es GAM in den kommenden Quartalen nicht schafft, substanzielles Neugeld anzuziehen, dann geht es früher oder später ans Lebendige. Im Moment zeichnet sich kein solcher warmer Regen ab. Eine Wette auf die Titel drängt sich nicht auf. Meiden
Galenica: Kaufen
Galenica ist ein Name, den die breite Öffentlichkeit kaum kennt. Und wer weiss schon, dass von ihren Logistikzentren aus mehr als die Hälfte aller Medikamente über die Schweiz verteilt werden? Geläufiger sind die Konsumentennamen Amavita und Sun Store, die Apothekenketten, die das Unternehmen im ganzen Land betreibt. Sie haben in den vergangenen Monaten über 80’000 Virustests durchgeführt und mehr als 38’000 Covid-Impfungen verabreicht. Das hat den Umsatz des Gesundheitsdienstleisters im ersten Semester angekurbelt. Er stieg um 10 Prozent. Das ist viel für ein Retail- und Logistikunternehmen, das auch auf dem Höhepunkt der Pandemie keinen Einbruch verzeichnet hatte. Der Gewinn nahm gar doppelt so rasch zu, was eine rekordhohe Profitabilität ergab. Kein Wunder, erhöhte Galenica die Jahresprognose. Erwartet werden 5 bis 8 Prozent mehr Umsatz und ein 10 bis 14 Prozent höherer Betriebsgewinn. Aus dem Überschuss wird Galenica gewiss wieder eine höhere Dividende zahlen. Für mich zählen diese Aktien zu den verlässlichsten an der Schweizer Börse. Kaufen
Harley-Davidson: Dosiert kaufen
Ich mag Harley-Davidson. Weniger die schweren, röhrenden Maschinen als das, wofür das Unternehmen steht. Für Amerika. Die unendliche Weite. Das offene Land. Die Reise als Ziel. Wie Coca-Cola oder Marlboro weckt der Name Harley-Davidson mehr Emotionen als das Produkt. Das mag ich. Bei den Aktien war ich mir lange nicht sicher. Seit Jahren kämpft der Motorradhersteller mit Umsatzrückgang. Die schweren, röhrenden Maschinen sind aus der vom Klimawandel geprägten Zeit gefallen. Zudem sinkt die Zahl der 35- bis 55-jährigen Amerikaner seit mehr als einer Dekade. Doch vielleicht kommt alles anders. Anfang Jahr hat Jochen Zeitz die Strategie für den Turnaround präsentiert. Der im Vorjahr eingestellte Chef will nicht nur dank den schweren Maschinen wachsen, sondern auch dank leichten, surrenden Elektromotorrädern sowie im Sport- und Touringsegment. Mir gefällt die Strategie des krisenerprobten Zeitz, der einst aus dem schwächelnden Puma einen erfolgreichen Sportartikelhersteller formte. Zudem dürfte auch die Zahl der 35- bis 55-Jährigen wieder wachsen. Dosiert kaufen
Diese Kolumne wird von den Redaktorinnen und Redaktoren der «Finanz und Wirtschaft» verfasst. Sie haben sich verpflichtet, nicht in den entsprechenden Titeln aktiv zu sein. Wer die Tipps dieser Kolumne umsetzt, tut das auf eigenes Risiko. Die SonntagsZeitung übernimmt keine Verantwortung. Weitere Artikel der «Finanz und Wirtschaft» finden Sie unter www.fuw.ch
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