«Die Bürger sollen sich auch in der ‹Linthsicht› äussern dürfen»
Dank Publikationen in Gemeindeblättern haben Kommunen die Hoheit über Information und Deutung der Entscheide der Behörden. In der «Linthsicht» soll sich dies nun ändern: Gefordert wird, dass in diesem amtlichen Mitteilungsblatt auch Einwohner zu Wort kommen können.

Seit geraumer Zeit tobt eine Kontroverse rund um die Informationspolitik seitens der Gemeinden. Im Fokus stehen Gemeindeblätter, in denen die Behörden ihre Mitteilungen publizieren, die früher in den Lokalzeitungen veröffentlicht wurden – dort allerdings von den Redaktionen aufbereitet und eingeordnet.
Im Zentrum der Kontroverse steht die Frage, ob aufgrund dieser Entwicklung die Demokratie auf Gemeindestufe gefährdet ist. Dass die vier Gemeinden im Gasterland seit drei Jahren ihre Mitteilungen in der «Linthsicht» und nicht mehr wie früher in den Lokalzeitungen publizieren, erklärt Christian Holderegger (FDP), Gemeindepräsident in Uznach, mit der Deutungshoheit der Kommunen: Man wolle die Bürger «exklusiv aus erster Hand» informieren.
Problematische Entwicklung
Dass die Gemeindeblätter ausschliesslich die Sicht der Behörden wiedergeben und mit der neuen Informationspolitik der Gemeinden eine problematische Entwicklung eingeleitet wurde, streitet Holderegger nicht ab: «Was im Konzept der ‹Linthsicht› offensichtlich fehlt, ist die Möglichkeit, dass Einwohner Zuschriften zu Entscheiden der Behörden veröffentlichen können.» In Zukunft müsse sich dies ändern: «Es braucht online oder im Print die Möglichkeit für Bürger, Kommentare auf einem Kanal publizieren zu können», konstatiert Holderegger.
«Es reicht nicht, wenn die Gemeinden einfach Infos auf ihre Website stellen. Die Bürger brauchen unabhängige Informationen.»
Daniel Kübler, Professor für Demokratieforschung an der Universität Zürich
«Bei unseren Einwohnern bestand schon länger der Wunsch nach einem Gemeindeblatt», sagt Markus Schwizer (CVP), Gemeindepräsident in Kaltbrunn: Die Gemeinde habe einen gesetzlichen Auftrag, die Bürger zu informieren. «In der Vergangenheit wurden Medienmitteilungen der Gemeinden oftmals nicht eins zu eins veröffentlicht, sondern in redaktionelle Beiträge umgewandelt», konstatiert Schwizer: «Die Information der Gemeinde wurde so oftmals abgeändert. Die Gemeinde konnte demzufolge ihre Informationspflicht nicht richtig erfüllen.»
Kein Diskussionsforum
Ausgelöst hat die ganze Kontroverse eine Interpellation derSP-Kantonsräte Peter Hartmann aus Flawil und Max Lemmenmeier aus St. Gallen: Die beiden Parlamentarier hatten festgestellt, dass den Printmedien wegen der Gemeindeblätter Einnahmen aus Inseraten entgingen. Die Kantonsräte kritisierten weiter, dass es in den Gemeindeblättern keine Diskussionsforen gebe.
«Dies ist ein Vorwurf einiger weniger Kantonsräte», sagt Schwizer: «Wir gewichten den Wunsch der Bevölkerung höher. Zudem berichten die Lokalmedien weiterhin über unsere Themen.» Auch Leserbriefe in den Lokalzeitungen seien nach wie vor möglich.
In der Antwort der St. Galler Regierung auf den Vorstoss gab diese bekannt, dass von den 45Gemeinden mit eigenem Mitteilungsblatt vier KommunenZuschriften der Einwohner zuEntscheiden der Behörden, vor Bürgerversammlungen oder vor Gemeindeabstimmungen veröffentlichen würden.
Demokratie in Gefahr
In einem Interview mit der «Zürichsee-Zeitung» gab Daniel Kübler, Professor für Demokratieforschung an der Universität Zürich, zum Ausdruck, dass die Lokalberichterstattung ein meritorisches Gut sei: «Die Leute merken gar nicht, dass es ihnen fehlt, wenn es nicht da ist.» Es reiche nicht, wenn die Gemeindebehörden einfach Informationen auf ihre Website stellen würden. «Die Stimmenden können nur Interesse entwickeln, wenn sie unabhängige Informationen haben», sagte Kübler: Auf diese Weise gerate die Demokratie in Gefahr – zumindest auf Gemeindeebene.
«Wenn die Informationen fehlen, bleiben die Leute den Urnen fern, weil sie sich keine Meinung bilden können.» Ohne Information sei Demokratie nicht möglich. Auch wenn es der eine oder andere Gemeinderat wohl nicht so schlimm finde, wenn er unbehelligt von den Medien politisieren könne, glaubt Kübler nicht, dass es für die Gemeinden gut sei, wenn es keine Lokalzeitungen mehr gebe: «Volk und Behörden entfremden sich. In der Gemeindepolitik ist ein guter Austausch zwischen Behörden und Volk wichtig.» Sonst könne es zu unvorhersehbaren Widerstandsaktionen und Blockaden kommen.
Kosten von 60 000 Franken
Die «Linthsicht» ist das amtliche Mitteilungsblatt der Gemeinden Benken, Kaltbrunn, Schänis und Uznach. Während Uznach und Benken pro Jahr den Betrag in der Höhe von rund 60 000 Franken im Budget einstellen, zahlt Kaltbrunn mit 30 000 Franken nur die Hälfte dieses Betrags an die Kosten der «Linthsicht». Thomas Wey, Gemeindeschreiber in Kaltbrunn, erklärt die Differenz mit dem Umstand, dass in seiner Kommune die Beträge von Korporationen, Kirchen und der Ortsgemeinde von den Gesamtkosten abgezogen werden.
Eschenbach beschäftigt demgegenüber eine professionelleInformationsbeauftragte mit einem Pensum von dreissig Prozent, was jährliche Kosten von 56 000 Franken verursacht. In Schänis war derweil keine Auskunft erhältlich, wie hoch die Kosten für die «Linthsicht» sind. (Zürichsee-Zeitung)
Erstellt: 15.07.2018, 16:59 Uhr
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