Neues Frauenrecht, Partnerlook am TV und zwei Mittelfinger
Drei Viertel der WM-Spiele sind vorbei, 48 von 64. Was ausser Resultaten, geknickten und geschürten Hoffnungen blieb. Oder Fragen aufwirft.

Was sollen diese Leibchen?
Wieso sitzen die in Moskau eigentlich immer mit Schiedsrichtertrikots vor den Bildschirmen?
Die Videoassistenten sind die auffälligste Regelneuerung der WM. Zu viert sitzen sie während des Spiels in der russischen Hauptstadt in einem Büro und überprüfen heikle Entscheidungen. Sie tragen jeweils dasselbe Leibchen wie der Unparteiische im Stadion. Nach 48 Spielen ist klar: Der VAR verändert den Fussball und bringt neue Gesten auf den Platz. Spieler formen bei umstrittenen Entscheidungen mit beiden Händen ein Rechteck, um eine Videoentscheidung zu fordern. Greift sich der Schiedsrichter nach einem Tor ans Ohr, weiss der Torschütze nicht mehr, ob er sich noch freuen darf. Denn dann sind wenig später auf den TV-Geräten der Zuschauer die Videoreferees zu sehen.
Und schon wieder fragt sich der Fan: Wieso sitzen die in Moskau eigentlich immer mit Schiedsrichtertrikots vor den Bildschirmen? (te)
Im Spiel der Brasilianer gegen Costa Rica probiert der Superstar einen Penalty zu schinden. Der Schiedsrichter fällt auf die Schwalbe rein – doch der Entscheid wird vom Videoschiedsrichter gekippt.
Siegesfeier à la Nippon
Ausgelassener Jubel, Sprechchöre, gelegentlich Polonaisen oder auch Provokationen gegenüber den geschlagenen Teams – Siegeskundgebungen in Fussballstadien fallen oft nach einfachen Mustern aus. Danach verlassen die Fans meist rasch die Arena, um anderswo weiterzufeiern. Ganz anders Japans Anhänger nach dem überraschenden 2:1 in Saransk gegen Kolumbien, sie starteten in ihrem Sektor eine Aufräumaktion. Plastikbecher, PET-Flaschen, Pappkartons und Essensreste verschwanden in blauen Plastiksäcken. Von den wenigen noch im Stadion verbliebenen Kolumbianern gabs zur Belohnung «High Fives».
Für Kenner der japanischen Kultur, welche ausgesuchten Wert auf Sauberkeit legt, kam die Aktion nicht unbedingt überraschend, weltweit generierte sie aber viele Schlagzeilen. Und animierte andere Supporter zum Nachahmen: Tags darauf folgten Senegals Fans dem Beispiel nach dem 2:1 gegen Polen. (mke)
Ein bisschen Weltverbesserer
Gescheitert sind sie, aber wie! Die Fussballer des Iran sind die Achtelfinalisten der Herzen. Was haben sie an Leidenschaft gezeigt gegen die ballverliebten Spanier, und dann fehlten in der Nachspielzeit gegen zitternde Portugiesen Zentimeter, und nicht sie weilten jetzt in den Ferien, sondern Cristiano Ronaldo.
Kurz vor dem Turnier hatte Nike den Iranern wegen der US-Sanktionen verboten, ihre Schuhe zu tragen – Testspielgegner sagten ab. «Wir hatten keine Vorbereitung und viele Probleme», klagte Trainer Carlos Queiroz. Er wandte sich an die Fifa mit dem Ruf nach Unterstützung. Völlig überraschend: vergebens.
Der Weltverband präsentiert sich gerne weltverbesserlich, in grossen Bögen denkend. Verbessern lässt sich die Welt aber auch in kleinen Schritten. Etwa im Iran selbst: Das 1:0 gegen Marokko verfolgten Tausende im Azadi-Stadion von Teheran. Vor allem: Tausende Frauen. Erstmals nach 37 Jahren durften sie das Nationalstadion betreten. (wie)
Frauen und Männer gemeinsam am Public-Viewing in Teheran. (Video: Tamedia)
Ronaldo! Messi!
Privilegiert sind wir, dürfen wir Cristiano Ronaldo und Lionel Messi live erleben. Seit über zehn Jahren thronen die Jahrhundertfussballer weit über der irdischen Konkurrenz, fünffache Weltfussballer sind sie beide, 2018 dürfte erneut Ronaldo triumphieren. Er hat mit Real Madrid kürzlich die Champions League gewonnen, einzig ein WM-Titelgewinn Messis könnte den Ausgang der Wahl noch beeinflussen. Jeder Auftritt des einen ist immer auch ein Duell mit dem anderen. An dieser WM wird Ronaldo nach zwei Spieltagen und vier Toren gefeiert, im Gegensatz zu Messi, der im Nationalteam offenbar wieder einmal unter der Last der Erwartungen zusammenbricht.
Ronaldo versagen die Nerven: Er verschiesst vom Penaltypunkt. (Video: SRF)
In der dritten Begegnung scheidet Portugal beinahe gegen den Iran aus, Ronaldo verschiesst einen Elfmeter und hätte für einen Ellbogenschlag die Rote Karte erhalten können. Am nächsten Tag erzielt Messi das technisch anspruchvollste Tor der Vorrunde, Argentinien zittert sich in extremis weiter. Und so geht das schier ewige Kräftemessen auch in Russland weiter – vielleicht mit dem ultimativen Gipfeltreffen im Viertelfinal? (fdr)
Die perfekte Ballannahme: Messi trifft zum 1:0 gegen den Nigeria. (Video: SRF)
Die Mittelfinger des Ex-Gottes
Akkreditierte Fotografen, die bei den Partien Argentiniens garantiert zu einem Sujet kommen wollen, sollten ihre Kamera nicht primär auf Lionel Messi richten. Abseits des Rasens ist mehr Action garantiert, genauer in der Loge, in der sich jeweils Diego Armando Maradona aufhält. War der kleine Mann einst als Fussballer ein ganz Grosser, macht er sich nun seit Jahren an die schwierige Aufgabe, in Sachen öffentlicher Selbstzerfleischung am Engländer Paul Gascoigne vorbeizuziehen.
So feiert der Altsstar: Maradona bejubelt den 2:1-Siegtreffer Argentiniens gegen Nigeria mit ausgestreckten Mittelfingern. (Video: SRF)
Gegen Nigeria arbeitete Maradona mehrfach an seinem Negativimage: Nach dem siegbringenden 2:1 von Marcos Rojo gestikulierte er mit beiden Mittelfingern in Richtung von Fans, nach Spielschluss musste er beim Abgang aus der Loge von Kumpanen gestützt und später behandelt werden. Entrüstet sagte Maradona, mit Drogen habe es diesmal gar nichts zu tun gehabt: «Sie haben uns Weisswein gegeben, und wir haben ihn ausgetrunken.» Kein Ketzer, wer die Frage stellt, ob seine Organe den Unterschied überhaupt noch bemerken. (mke)
Der Sprint aus der Pflege
Es ist der bisher kurioseste Treffer. Gemeint ist aber keines der zahlreichen Eigentore. Wobei: Für Polen muss es sich wie ein Eigentor angefühlt haben.
0:1 liegen die Polen gegen Senegal in der 60. Minute zurück. Ein 23-jähriger Senegalese steht an der Seitenlinie: Mbaye Niang. Er hat sich gerade pflegen lassen und ist wieder einsatzbereit – 6 Sekunden später wird er das 2:0 erzielen. Der Schiedsrichter hebt kurz den Arm und winkt ihn zurück ins Spiel. Es ist der perfekte Moment für Niang. Die Polen rechnen nicht mit ihm, doch er sprintet los, wahrscheinlich erreicht er da seinen Topspeed des Spiels. 32,62 km/h misst die Fifa – das ist Bestwert seines sowieso schnellen Teams.
Vom Verletzten zum Torschützen in sechs Sekunden: Niangs 2:0 gegen Polen. (Video: SRF)
Ein scheinbar ungefährlicher polnischer Rückpass wird so zur perfekten Vorlage für Niang, der den Ball am herausstürmenden Goalie vorbeispitzelt. Danach hat er das leere Tor vor sich und entscheidet das Spiel im Stile eines Hockeyaners, der direkt von der Strafbank kommt. Der Behandlung sei Dank. (te)
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Die Achtelfinal-Duelle im Überblick:
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