
Überprüfte man das Spätwerk jedes Literaturnobelpreisträgers, ob es in etwa dem entspricht, für das sie oder er einst ausgezeichnet wurde, müsste wohl so mancher Preis eingezogen werden. Günter Grass mag da manchem einfallen, aber zu Unrecht, ein schlechtes Buch entwertet das gute nicht. Schaut man auf den Friedensnobelpreis, sollte man zu einem anderen Ergebnis kommen. Wer dafür ausgezeichnet wurde, dass er sich auf herausragende Art für ein friedliches Miteinander eingesetzt hat, darf nicht bald danach zum Kriegstreiber werden. Kurz: Dem äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed muss der Friedensnobelpreis aberkannt werden.
Was waren das für Tage in Äthiopien, als Abiy Ahmed im Frühjahr 2018 Ministerpräsident wurde, wie im Rausch stellte er das Land auf den Kopf, entliess politische Gefangene, versprach Demokratie, liberalisierte die Medien und schloss Frieden mit Erzfeind Eritrea. Dafür bekam er den Preis, nach nicht einmal zwei Jahren im Amt. Er hat ihm nicht gutgetan. Du bist einzigartig, eines Tages wirst du im Palast sein, hatte ihm die Mutter prophezeit, als der Kaiser noch nicht so lange gestürzt war. Und so führt er sich jetzt auf, ein Narzisst, der sein Reich in den Krieg führt.
Es gibt leichtere Aufgaben, als Äthiopien zu regieren. Ein wunderschönes Land mit grosser Vielfalt, achtzig Völker, die sich nicht alle freiwillig zusammenfanden, oft beherrschte eine Volksgruppe die anderen. Was für manche Europäer archaisch klingt, ist letztlich ein Kampf um die knappen Ressourcen des Landes. Abiy Ahmed wollte das Denken in Ethnien beenden, er wollte den zehn Regionen, die sich an den ethnischen Zugehörigkeiten orientieren, weniger Macht geben und dem Zentrum der Föderation mehr. Es klang fein – mehr Äthiopien, weniger Oromia, Tigray und Amhara. Lasst uns den Kuchen gemeinsam grösser machen, als ständig nur um die Stücke zu kämpfen. So konnte man seine Botschaft verstehen.

Diese überzeugte aber nicht alle Gruppen im Land, vor allem nicht die Tigray, eine kleine Gruppe, die Äthiopien fast drei Jahrzehnte beherrscht hatte, es zu einigem Wirtschaftswachstum geführt, aber auch in einen brutalen Polizeistaat verwandelt hatte. Sie wehrten sich gegen die neue Zeit, sollen eine Kaserne der Bundesarmee angegriffen haben. Ein Nobelpreis darf keine Geisel sein, sagten die Unterstützer von Abiy damals, auch ein Nobelpreisträger darf Gewalt anwenden, wenn es nicht anders geht. Abiy begann eine Aktion zur «Wiederherstellung von Recht und Ordnung» in Tigray, die nach neun Monaten zu einem unkontrollierbaren Krieg geworden ist, in dem vergewaltigt und massakriert wird. Jede Seite beschuldigt die andere.
Was man sicher sagen kann, ist, dass Abiy viel zu wenig humanitäre Hilfe nach Tigray lässt, den Hunger als Waffe benutzt, so sagen es Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Ärzte ohne Grenzen wurde gerade wieder die Arbeit verboten, unter anderem weil die Organisation «illegal importierte» Satellitentelefone benutzt habe. Es ist die zynische Sprache eines paranoiden Regimes, nicht die eines Friedensnobelpreisträgers. «Krieg macht herzlos und verbittert», hatte Abiy in Oslo gesagt. Er ist es selbst geworden und sollte den Preis verlieren. Es wird ihn nicht zum Einlenken bringen, aber anderen vielleicht eine Warnung sein.
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Analyse zum Bürgerkrieg in Äthiopien – Nehmt diesem Mann den Nobelpreis weg!
Nach nicht einmal zwei Jahren im Amt wurde Abiy Ahmed als Friedensstifter ausgezeichnet. Der Preis hat ihm nicht gutgetan: Der äthiopische Premier entpuppt sich als Kriegstreiber.