Abstimmung im Kanton ZürichMario Fehr greift Linke an: «Sie will die Ausländerkriminalität totschweigen»
Eine 55-Prozent-Mehrheit will, dass alle Polizeikorps die Staatsangehörigkeit der Tatverdächtigen in Mitteilungen nennt. Wir berichteten live.
Das Wichtigste in Kürze:
Die SVP-Initiative «Bei Polizeimeldungen sind die Nationalitäten anzugeben» wurde abgelehnt. Sie erzielte 43,8 Prozent der Stimmen. Die Initiative wollte bei Schweizer Tätern, Tatverdächtigen und Opfern auch den allfälligen Migrationshintergrund genannt sehen.
Der Gegenvorschlag des Kantonsrats, der auf den Migrationshintergrund verzichtete, wurde mit 55,2 Prozent der Stimmen angenommen.
Das bedeutet, dass die Stadtpolizei Zürich ab dem 1. Juli 2021 die Nationalitäten in ihren Mitteilungen wieder nennen muss.
160 Gemeinden haben den Gegenvorschlag angenommen, nur zwei waren dagegen: Zürich und Schleinikon. Das stärkste Ja gab es in Brütten (69,3 Prozent), das schwächste im Stadtzürcher Kreis 4+5 (35,5).
Eine Mehrheit von 101 Gemeinden und die Hälfte der zwölf Bezirke stimmte auch der Initiative zu. Am stärksten war die Zustimmung in Hagenbuch (66,7 Prozent), am wenigsten stark im Zürcher Kreis 4+5 (17,1).
SP-Sicherheitsdirektor Mario Fehr hat in seiner Stellungnahme die Linke kritisiert, die in einer Wunschwelt lebe und ja nicht sagen wolle, was ist.
Jetzt haben auch der Stadtzürcher Kreis 2 (48,8 Prozent) und Uster (54,4) fertig ausgezählt. In der ganzen Stadt Zürich erzielte der Gegenvorschlag 46,4 Prozent der Stimmen.
Der Gegenvorschlag ist kantonsweit mit 55,2 Prozent angenommen, die SVP-Initiative mit 43,8 Prozent Ja verworfen. Bei der (letztlich obsoleten) Stichfrage haben sich 41,5 Prozent für die Initiative ausgesprochen.
Die Stimmbeteiligung betrug beim Gegenvorschlag 50,3 Prozent und bei der Initiative sogar 51,4 Prozent.
Hier ist die Gemeindegrafik zur Volksinitiative:
Der Kreis 11 (Oerlikon, Seebach, Affoltern) sagt mit einer haudünnen Mehrheit von 50,01 Prozent Ja zum Gegenvorschlag, der Kreis 7+8 (Zürichberg, Seefeld, Witikon) mit 53,7 Prozent. Der Kreis 9 (Altstetten) sagt Nein (47,3 Prozent). Jetzt fehlt nur noch der Kreis 2 (Enge, Wollishofen, Leimbach) - und Uster. Sie machen 5 Prozent der Stimmen aus.
«Wir sind enttäuscht, aber beruhigt, dass immerhin die SVP-Initiative abgelehnt wurde», sagte Co-Parteipräsidentin Priska Seiler Graf. Zum Nein aus der Stadt Zürich sagt sie: «Es ist schade, dass der Kanton der Stadt reinpfuscht.» Laut Co-Präsident Andreas Daurù zeigt das Stadtzürcher Ergebnis, dass die Bevölkerung mit der heutigen Praxis der Stadtpolizei zufrieden war. Er findet es seltsam, dass die SVP bei der Abstimmung um die Sozialdetektive die Gemeindeautonomie hochgehalten habe, bei der Nationalitätennennung aber nicht. Laut Daurù bedeute das Resultat aber nicht, dass man bei den Bemühungen um die Integration von Ausländerinnen und Ausländern und allgemein um die Chancengleichheit lockerlassen dürfe.
Auch die SVP ist zufrieden, obwohl sie mit ihrer Initiative gescheitert ist. «Ohne unsere Initiative hätte es den Gegenvorschlag nicht gegeben. Unsere Kernforderung ist erfüllt», sagte Nationalrat und Stadtparteichef Mauro Tuena. Die Stimmbürger des Kantons hätten die Stadt Zürich in die Schranken gewiesen.
Inzwischen sind alle Resultate aus den Winterthurer Kreisen eingetroffen. Der Kreis Altstadt mit 47,6 Prozent Ja zum Gegenvorschlag, Veltheim mit 49,6 und Seen mit 59,3 Prozent.
Somit sagt die ganze Stadt Winterthur mit 52,1 Prozent Ja. Die SVP-Initiative lehnt die Stadt mit nur 36,3 Prozent ab.

Zwar steht das Endergebnis noch nicht definitiv fest, doch nun hat sich Sicherheitsdirektor Mario Fehr (SP) zum Abstimmungsergebnis geäussert.
Dabei griff er die Linke an: «Ganz links lebt in einer Wunschwelt: Nur ja nicht sagen, was wirklich ist und am liebsten die Ausländerkriminalität totschweigen.» Nur sagen, was ist, schaffe Vertrauen, sagte Fehr weiter. «Die Bevölkerung will Transparenz, die Nationalitätennennung ist eine Selbstverständlichkeit.»
Damit könne die Kantonspolizei Zürich ihre bisherige Praxis fortführen: Bei Straftaten werden die Nationalitäten der Beteiligten genannt, wobei immer eine Interessenabwägung stattfinde. Und bei Verkehrsdelikten werde die Nationalität nur bei groben Verstössen wie Rasen genannt.
Auch die SVP-Lösung griff er an: «Hier hätten wir Ahnenforschung betreiben müssen.» Die Partei wollte bei Schweizern den allfälligen Migrationshintergrund genannt wissen.
Die neue Regelung, die eigentlich nur die Stadtpolizei Zürich betrifft, welche seit gut drei Jahren keine Staatsangehörigkeiten mehr nennt, tritt am 1. Juli 2021 in Kraft.
Fehr machte noch klar, dass er sich dafür einsetzen wolle, die Zürcher Lösung in der ganzen Schweiz zu verbreiten.
Inzwischen sind in Zürich drei weitere Wahlkreise ausgezählt. Es zeichnet sich ein klares Nein zum Gegenvorschlag ab. Der Kreis 3 sagte mit 40,5 Prozent Ja, der Kreis 4+5 mit 35,5 und der Kreis 10 mit 45,4 Prozent.
Am kantonalen Schlussresultat pro Gegenvorschlag wird dies wohl nichts mehr ändern. Jetzt fehlen noch fünf Zürcher Stadtkreise, ein Winterthurer Kreis sowie Uster und Stäfa.
Der Kreis 12 (Schwamendingen) lehnt die Nationalitätennennung ab. Nur 48,3 Prozent legten ein Ja zum Gegenvorschlag in die Urne. Da Schwamendingen einer der bürgerlichsten Kreise der Stadt ist, kann von einem klaren Nein der ganzen Stadt ausgegangen werden.
Nach Wülflingen (52,6 Prozent Ja) und Töss (49,2) sind nun auch Oberwinterthur und Mattenbach ausgezählt. Oberi sagt mit 54,1 Prozent Ja zum Gegenvorschlag, Mattenbach lehnt ihn mit 49,3 Prozent Ja ab. Macht insgesamt 52 Prozent Ja. Es bleibt spannend, was Winterthur als Stadt abstimmt. Die Stadtpolizei hat bisher die Nationalitäten immer genannt. Man munkelte aber im Vorfeld der Abstimmung, dass es Bestrebungen gab, die Praxis der Stadtpolizei Zürich zu übernehmen.
Die neuste Hochrechnung von 14 Uhr kommt nur noch auf 57,3 Prozent Ja zum Gegenvorschlag. Die Zustimmung scheint aber trotzdem nicht in Frage gestellt, liegt das Vertrauensintervall gemäss Statistischem Amt zwischen 53,9 und 60,5 Prozent.
Die Initiative kommt gemäss Prognose auf 44,6 Prozent.
Um 14.10 Uhr waren 125 von 162 Gemeinden ausgezählt, plus zwei Winterthurer Kreise. In der Eulachstadt wirds spannend. Wülflingen sagt mit 52,6 Prozent Ja, Töss mit 49,2 Prozent Nein. Einzige Nein-Gemeinde bleibt Schleinikon.
Bei der Initiative sind die zustimmenden Gemeinden noch immer in der Mehrheit: 68:57. Vor allem im Norden gibts ein wuchtiges Ja. Aber am See und im Glatttal (und ziemlich sicher auch in Winterthur und Zürich) resultiert ein klares Nein zur SVP-Initiative.
Es zeichnet sich ab, dass alle Bezirke Ja sagen zum Gegenvorschlag des Kantonsrats.
Spannend ist die Frage, ob auch Zürich zustimmen wird. Es ist die einzige Stadt, deren Polizei die Nationalitäten seit gut drei Jahren nicht mehr nennt. Und die Parteien, welche die Nennung ablehnen, sind in Zürich klar majoritär. Die ablehnenden Parteien SP, Grüne, GLP und AL wissen zwei Drittel der Wählerschaft hinter sich.
Es ist aber noch kein städtischer Wahlkreis ausgezählt.
Die Stimmberechtigten wünschen, dass alle Zürcher Polizeikorps die Staatsangehörigkeiten von Tätern, Tatverdächtigen und Opfern in Mitteilungen erwähnen.
Der Gegenvorschlag wird gemäss Hochrechnung mit knapp 59 Prozent angenommen. Aktuell sagen 67 von 68 ausgezählten Gemeinden Ja. Nur Schleinikon im Wehntal lehnt den Gegenvorschlag ab - zugunsten der SVP-Initiative. Die linke Gemeinde Rifferswil im Säuliamt sagt klar Ja.
Die SVP-Initiative kommt gemäss Prognose auf 44,5 Prozent. Sie wird aktuell in 53 der 68 ausgezählten Gemeinden angenommen, aber es sind erst die kleineren, konservativeren Gemeinden ausgezählt.
In der Stichfrage bevorzugen laut Hochrechnung gut 42 Prozent die SVP-Initiative.
Vor allem die Landgemeinden im Norden des Kantons nehmen neben dem Gegenvorschlag auch die schärfere Initiative der SVP an, welche auch den Migrationshintergrund von Tätern und Tatverdächtigen genannt sehen will.
Gemäss der ersten Hochrechnung des Statistischen Amts wird der Gegenvorschlag mit 59,6 Prozent der Stimmen angenommen. Die Initiative kommt auf 45,9 Prozent.
Die Hochrechnung des Statistischen Amts verzögert sich.
Die 18 bereits ausgezählten, eher ländlichen, konservativen Gemeinden sagen knapp Ja zur SVP-Initiative und zu 59 Prozent Ja zum Gegenvorschlag. Das deutet auf ein eher knappes Resultat über den ganzen Kanton hin.
In einigen Gemeinden wie Adlikon oder Berg am Irchel ist der schärfere SVP-Vorschlag populärer als der Gegenvorschlag des Kantonsrats.

SP-Ständerat Daniel Jositsch ist gegen die Nennung der Nationalitäten in Polizeimeldungen und nennt die heutige Praxis der Polizeikorps gesetzeswidrig. SVP-Nationalrat Mauro Tuena wiederum sagt, die Nennung entspreche einem Bedürfnis der Bevölkerung nach Transparenz.

Die Antwort lautet: Ja und Nein. Lesen Sie hier unseren ausführlichen Faktencheck.

Der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr (SP) machte sich namens des Regierungsrats für den Gegenvorschlag stark: «Von ihnen sind 90 Prozent kriminell»
Die Stadtpolizei Zürich nennt in ihren Mitteilungen seit Ende 2017 die Staatsangehörigkeit der Täter, Tatverdächtigen und Opfer nicht mehr, weil dies zu Vorverurteilungen von ganzen Volksgruppen führen könne. Die SVP reagierte mit einer Volksinitiative und will den Beschluss des damaligen Polizeivorstehers Richard Wolff (AL) rückgängig machen. Zusätzlich fordert die Partei, dass bei Schweizern auf Anfrage der Medien ein allfälliger Migrationshintergrund genannt wird. Regierungs- und Kantonsrat formulierten einen Gegenvorschlag zur Initiative. Dieser setzt auf die bisherige Praxis der Kantonspolizei mitsamt Nennung der Nationalitäten, verzichtet aber auf die Information zum allfälligen Migrationshintergrund bei Schweizern.
Für die Initiative sprechen sich SVP und EDU aus, für den Gegenvorschlag sind neben SVP und der EDU auch die FDP, CVP und EVP. SP, GLP, Grüne und AL lehnen beide Vorlagen ab.
Die Details, die Stellungnahmen sowie Argumente der drei Abstimmungskomitees und wie es andere Kantone handhaben, finden Sie in dieser Übersicht: Neutraler Fakt oder Diskriminierung?
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