Von der Installateurin bis zum CEONach Lachgas-Skandal knüpft Lonza ihre Boni an Umweltziele
Der Konzern will seine Klimagasemissionen und seinen Energie- und Wasserbedarf senken. Dafür nimmt er auch die Mitarbeitenden in die Pflicht.

Die Klimaziele des Bundes 2020 hat die Lonza mit ihrem unbemerkten Lachgasausstoss konterkariert. Jetzt will die für die Herstellung des Covid-Impfstoffs von Moderna bekannte Pharma-Auftragsherstellerin ihren Fokus auf Umweltziele verstärken. «Ein wesentlicher Teil der Boni wird an ihre Einhaltung geknüpft», sagt Lonza-Chef Pierre-Alain Ruffieux dieser Zeitung. Dies gelte für einfache Betriebsmitarbeitende bis hin zum Management. Einen direkten Zusammenhang mit dem Lachgas-Skandal weist Ruffieux jedoch zurück: «Ich halte es einfach für wichtig, die Boni auch davon abhängig zu machen, wohin wir mit Lonza wollen.» Ruffieux ist erst seit gut einem Jahr bei der Lonza, er kommt vom Pharmariesen Roche, wo Boni schon länger von Umweltzielen abhängig sind.

Das Besondere an dem Umweltskandal der Lonza in ihrem Werk in Visp war, dass das bei der Produktion des Vitamins Niacin anfallende und fürs Klima hochschädliche Lachgas über Jahrzehnte nicht bemerkt wurde. Die Behörden kontrollierten diese Substanz nicht, weil sie nicht auf ihrer Liste stand. Und weil sie nicht gemeldet werden musste, wurde sie auch bei der Lonza nicht gemessen. Dabei war der Ausstoss für ein Prozent der gesamten Schweizer Klimagasemissionen verantwortlich. Als der Skandal bemerkt wurde, zögerte die Lonza zunächst mit dem Einbau eines Katalysators wegen Kosten von rund 10 Millionen Franken.

Nun hat die Lonza sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 ihren Klimagasausstoss um 36 Prozent zu reduzieren, pro Jahr bedeutet das Einsparungen von 3 Prozent. Umgesetzt werden soll das mit Isolation der Anlagen und besseren Prozessen, denn die Herstellung von Wirkstoffen für die Pharmaindustrie ist sehr energieintensiv. Der Hauptteil der CO₂-Reduktion soll jedoch durch die Nutzung erneuerbarer Energien kommen. «Wenn wir die Möglichkeit sehen, auf den Dächern bei uns Solarpanels zu installieren, werden wir das tun, aber den grössten Teil der Energie werden wir einkaufen», sagt Ruffieux. Die Lonza setzt damit auf die Energiewende des Bundes und der Schweizer Versorger. Den Energieverbrauch will die Lonza um 24 Prozent senken.
Auch ohne Covid-Impfstoff auf Kurs
Für die Herstellung des Covid-Impfstoffs gehen in Visp VS bis Ende März drei weitere Produktionsstrassen in Betrieb, wie Ruffieux bestätigte. Das Wachstum der Lonza hängt jedoch nicht an Moderna: Die US-Firma sei nur eine von vielen Auftraggeberinnen, betonte Ruffieux. Die Lonza werde auch ohne den Covid-Impfstoff ihre Umsatzziele für die nächsten Jahre erreichen. Im vergangenen Jahr sprangen die Erlöse um 20 Prozent auf 5,41 Milliarden Franken.
Einen Gewinneinbruch verzeichnete die Lonza dennoch: Er fiel um 7,5 Prozent auf 677 Millionen Franken. Grund hierfür ist eine andere Umweltsünde: Die Lonza musste 285 Millionen Franken für die Sanierung einer Giftmülldeponie zurückstellen. In Gamsenried VS betreibt das Unternehmen seit 1918 eine Deponie. Nachdem krebserregendes Benzidin in zwei Brunnen entdeckt wurde, wird jetzt mit der Sanierung begonnen. Die erste Phase dürfte rund zehn Jahre dauern. «Die Rückstellung dürfte für den grössten Teil der Kosten reichen, in vier bis fünf Jahren können wir hierzu neue Informationen geben», sagt Ruffieux.
Frischen Wind in die Klimaziele der Lonza hat auch der Verkauf der Spezialchemiesparte LSI vergangenes Jahr gebracht. Dies hat den Klimagasabdruck des Konzerns auf einen Schlag um 35 Prozent verkleinert.
«Auch in der Schweiz werden wir weiter wachsen.»
In seinen verbleibenden vier Pharmasparten, die sich auf die Herstellung von Biotechtherapien, kleinen Medikamentenmolekülen, Gen- und Zelltherapien und Kapseltechnologie für die Medikamentenverabreichung konzentrieren, will die Lonza das Geschäft weiter ausbauen.
Rund 30 Prozent seines Umsatzes will der Konzern mittelfristig investieren, das sind jährlich zwei bis drei Milliarden Franken. «Auch in der Schweiz werden wir weiter wachsen», sagt Ruffieux. Grundsätzlich gehe der Konzern jedoch dahin, wo seine Kundschaft sei – und die sitzt vor allem in den USA. Gefragt sind hauptsächlich Biotech-Wirkstoffe, also von Säugetierzellen oder Bakterien in Bioreaktoren hergestellte besonders lange Moleküle oder auch mRNA. Sie werden für Krebs- oder auch MS-Therapien gebraucht.
Zwischen Investition und erstem Umsatz liegen sechs Jahre
Beim Bau von Bioreaktoranlagen ist die Lonza jedoch mit einer besonderen Herausforderung konfrontiert: Es braucht drei bis vier Jahre, bis eine Bioreaktoranlage gebaut ist, und dann noch einmal bis zu zwei Jahre, bis der Betrieb voll hochgefahren werden kann. Zwischen Investitionen und Erlösen vergeht also viel Zeit. Weil die Lonza selbst keine Medikamente erforscht, sondern für Pharmaunternehmen lediglich die Wirkstoffe herstellt, ist sie für die Auslastung ihrer Anlagen von Aufträgen abhängig. Der Bau einer Anlage werde jedoch nie begonnen, ohne eine grosse Ankerauftraggeberin, betont Ruffieux. Planung wie auch Verträge laufen über Jahre. Auch die Kooperation mit Moderna ist auf zehn Jahr ausgelegt. Dabei gehe es nicht nur um den Covid-Impfstoff, sondern auch um neue Krebstherapien.
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