Parlament will ErdbebenversicherungNach einem Schadenereignis sollen alle Hausbesitzer zahlen
In der Schweiz sind die meisten Eigentümer nicht gegen Erdbeben versichert. Eine neue Idee der Gebäudeversicherer soll diese Lücke endlich schliessen.

Auch in der Schweiz sind schwere Erdbeben möglich, wie das historisch dokumentierte Ereignis von 1356 in Basel zeigt. Würde sich in Basel heute ein so starkes Beben ereignen, beliefen sich die Schäden gemäss Schätzungen des Bundes auf 50 bis 100 Milliarden Franken. Gemäss dem Szenario wären 1000 bis 6000 Tote zu beklagen. Allerdings blieb die Schweiz von einer solchen Naturkatastrophe seit Jahrhunderten verschont. Auch zu mittelschweren Erdbeben kam es in jüngerer Zeit kaum, weshalb es wohl bis heute keine obligatorische Erdbebenversicherung gibt. Mehrere Anläufe sind im Parlament gescheitert.
Am Mittwoch nun hat der Nationalrat wie schon der Ständerat den Bundesrat erneut beauftragt, die Gesetzesgrundlage für eine Erdbebenversicherung zu schaffen. Dabei handelt es sich um einen neuen Ansatz, der bessere Chancen als die bisherigen Versuche haben könnte. Die Idee kommt von den kantonalen Gebäudeversicherungen. Es handelt sich um eine Eventualversicherung: Die Prämien müssen nicht im Voraus bezahlt werden, sondern erst, wenn Erdbebenschäden entstanden sind. Dann werden alle Hauseigentümer der Schweiz solidarisch zur Kasse gebeten. Da sich die Schäden mit grosser Wahrscheinlichkeit auf eine Region beschränken würden, könnte eine grosse Versicherungsdeckung gewährleistet werden.
Auf einen Schlag 20 Milliarden
Die bisherigen Vorstösse für eine nationale Erdbebenversicherung scheiterten daran, dass über jährliche Prämien Milliardenbeträge geäufnet worden wären, für ein nur selten auftretendes Schadenereignis. Mit der Eventualversicherung kämen mit einer Prämie von beispielsweise 0,7 Prozent der Gebäudeversicherungssumme auf einen Schlag 20 Milliarden zusammen. Damit könnten die Schäden eines starken Erdbebens abgedeckt werden, wie es in der Schweiz etwa alle 500 Jahre vorkommt. Eine Hauseigentümerin mit einem Gebäude zu einem Versicherungswert von 500’000 Franken müsste im vorliegenden Beispiel 3500 Franken bezahlen. Dem Umstand, dass einzelne Gebäudeeigentümer nicht zahlungsfähig sein könnten, soll eine gesetzliche hypothekarische Absicherung Rechnung tragen.
Letztmals beauftragte das Parlament den Bundesrat vor zehn Jahren mit einer Erdbebenversicherung, aus der nichts wurde. Doch auch diesmal ist die Versicherung noch nicht unter Dach und Fach. Der Bundesrat muss nun das Gesetz und allenfalls sogar eine Verfassungsgrundlage ausarbeiten, die dann vom Parlament beraten wird. Widerstand gibt es vor allem bei FDP und SVP. Sie kritisieren, dass die Befürworter einer solchen Erdbebenversicherung einer Vollkasko-Mentalität anhingen. Es gebe die Möglichkeit, private Erdbebenversicherungen abzuschliessen, sagte FDP-Nationalrat Matthias Jauslin (ZH). Es könne nicht sein, dass alle in der Schweiz für Schäden in einer bestimmten Region haften müssten. Und für grosse Immobilienbesitzer wäre es kaum möglich, die Kosten für eine solche Eventualversicherung zu bilanzieren. Auch der Bundesrat lehnte die obligatorische Erdbebenversicherung ab. Es liege in der Eigenverantwortung der Immobilienbesitzer, für den Fall eines Erdbebens vorzusorgen, sagte Finanzminister Ueli Maurer.
Heute haben 18 kantonale Gebäudeversicherungen einen Pool gebildet, der aber mit seinen 2 Milliarden Franken bei schweren Beben kaum ausreichen würde. Die Gebäudeversicherung des Kantons Zürich kennt als einzige eine obligatorische Erdbebenversicherung, die mit einer Deckung von 1 Milliarde ebenfalls kaum genügen würde. Die kantonalen Gebäudeversicherer gehen davon aus, dass auch der Staat die Behebung der Gebäudeschäden nicht finanzieren könnte. Der Staat müsste sich primär um die Instandstellung von Strassen, Brücken, Bahnstrecken, Spitälern sowie der Wasser- und Energieversorgung kümmern.
1946 gab es im Wallis 4 Tote
Ab einer Magnitude von 5 ist lokal mit kleinen bis mittleren Gebäudeschäden, unter Umständen auch mit grösseren Sachschäden zu rechnen. So entstanden bei Erdbeben von 1964 in Obwalden (Magnitude 5,3) und von 1946 in Siders (Magnitude 5,8) beträchtliche Gebäudeschäden. In Obwalden kamen keine Menschen ums Leben, im Wallis starben vier Menschen, 3500 Gebäude wurden beschädigt. Die Schadenssumme belief sich nach heutigem Wert auf 26 Millionen Franken.
In der Schweiz bebt die Erde 500- bis 800-mal pro Jahr, doch sind nur 10 bis 15 dieser Beben mit Magnituden ab 2,5 für die Bevölkerung spürbar. Die grösste Erdbebengefahr besteht im Wallis, gefolgt von der Region Basel, dem St. Galler Rheintal, dem Berner Oberland, dem Engadin sowie in Teilen der Zentralschweiz. Regionen ganz ohne Erdbebengefährdung gibt es in der Schweiz nicht. Das stärkste dokumentierte Erdbeben ist mit einer Magnitude von ungefähr 6,6 jenes von 1356 bei Basel, bei dem viele Gebäude einstürzten und Brände ausbrachen. Trotz der grossen Zerstörungskraft kamen bei dem Beben verhältnismässig wenige Menschen ums Leben, da sich viele aufgrund des Vorbebens bereits im Freien aufhielten.
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