Haustierboom in ChinaMit dem Porsche ins Hunde-Internat
Immer mehr Menschen in Chinas Städten schaffen sich einen Vierbeiner an. Das beflügelt das Geschäft mit Hundetrainern, die sich monatelang um die Tiere kümmern.

Wusong mag zwar nicht der hellste Schüler der Klasse sein, aber er ist definitiv der fluffigste. Mit herausgestreckter Zunge kommt er über den Hof getrabt, um die Besucher zu begrüssen. Nach ein paar Versuchen klappt es auch mit dem Händeschütteln, was mit ausgiebigem Streicheln belohnt wird. «Was andere in zehn Minuten lernen, dafür hat er eine Woche gebraucht», sagt Schulleiter Huang Yiyong. «Aber er hat einen guten Charakter, das macht es weniger anstrengend.»
Huangs Schule ist natürlich keine normale Schule für Menschen, es ist ein Internat für Hunde in der Nähe von Guangzhou in Südchina. Und Wusong ist ein sechs Monate alter Alaskan Malamute mit langem bräunlichen Fell. Seit etwa einem Monat lebt und lernt er im Internat.
An diesem Nachmittag ist seine Besitzerin zu Besuch gekommen, um mit ihm zu üben. Mit ihren eleganten Schuhen und der Anzughose wirkt sie eigentlich zu fein angezogen für eine Hundewiese. Sie habe noch zwei andere Hunde zu Hause, erzählt sie. Wusong sei der «dümmste» von ihnen, deshalb habe sie ihn hierhergebracht. Auf seinem Stundenplan stehen nun Dinge wie rückwärts laufen und Pfötchen geben.

Huangs Schule ist ausgebucht. Etwa 35 Vierbeiner trainieren er und seine 8 Angestellten auf einmal – und wenn er mehr geeignetes Personal fände, könnte er locker doppelt so viele aufnehmen, sagt er.
Die Haustierindustrie boomt in China. Immer mehr Menschen legen sich einen tierischen Begleiter zu. Das liegt am wachsenden Wohlstand, aber auch an einem wachsenden Bedürfnis nach emotionaler Nähe in einer Gesellschaft, die immer mehr vereinzelt, älter wird und weniger Kinder bekommt. Doch fehlende Regulierung und Mangel an qualifiziertem Personal bedrohen das Wohlergehen von Mensch und Tier.
Es sind junge, gut ausgebildete, zahlungskräftige Stadtbewohner, die sich einen Hund anschaffen.
Allein vergangenes Jahr wuchs der Markt laut Zahlen des Marktforschungsinstituts iiMedia Research um ein Viertel auf 493 Milliarden Yuan (rund 63 Milliarden Franken). Bis 2025 sollen es über 800 Milliarden Yuan werden. Mehr als 50 Millionen Hunde und 65 Millionen Katzen leben laut Branchenzahlen bereits in Chinas städtischen Haushalten. Und es könnten noch deutlich mehr werden, denn im Vergleich zum Westen ist die Haustierdichte noch niedrig.
Viele Stadtverwaltungen erlaubten ihren Bewohnern nämlich erst in den 1990ern den Besitz von Hunden. Die Zahl der Haustierbesitzer wuchs zunächst langsam, bevor sie in den 2010ern geradezu explodierte. Auch in der Pandemie wuchs die Nachfrage, da die Menschen mehr Zeit zu Hause verbrachten. Laut iiMedia sind es immer mehr junge, gut ausgebildete, zahlungskräftige Stadtbewohner, die sich ein Tier anschaffen. Und mit dem Haustierbesitz wächst auch der Bedarf an Futter, Spielzeug, Tierärzten oder Hundeschulen.

Wie so viele in seiner Branche ist Huang ein Quereinsteiger. Es fing vor einigen Jahren an, als er Videos von sich online stellte, wie er seinen jungen Golden Retriever namens Lao Jin trainierte. «Damit habe ich Dutzende Millionen Aufrufe erzielt», erzählt er. Es kamen Kooperationsanfragen von Haustier-Shops und Tierarztpraxen, schliesslich fragten andere Hundebesitzer, ob Huang nicht auch ihre Tiere trainieren könnte. «Erst habe ich das in einer Dreizimmerwohnung gemacht», sagt er. Mit zwei oder drei Hunden sei das noch gegangen, aber nicht mehr mit zehn. «Die Nachbarn haben die Polizei gerufen.»
Also zog Huang vor rund zwei Jahren aufs Land. Wer jetzt zu ihm kommen will, muss von Guangzhous Stadtzentrum aus über eine Stunde fahren, vorbei an Fabriken und Gewächshäusern, einen Feldweg entlang, bis hinter einem Friedhof schliesslich das Tor zu seiner Hundeschule auftaucht. Hier gibt es keine Nachbarn, die sich über Lärm beschweren könnten. Das Gelände besteht aus einem Wohnbereich für Huang und seine Mitarbeiter, einem Büro-Container, einem überschatteten Zwingerbereich, in dem die Hunde leben, und einer Spielwiese. Sogar einen Pool gibt es. «Es ist eine viel schönere Umgebung für die Hunde», sagt Huang. «Wo gibt es so was schon in der Stadt?»
Der Job als Hundetrainer ist hart. Manche Tiere müssen rund um die Uhr überwacht werden. Morgens steht die erste Fütterung und Trainingseinheit an. Am Nachmittag dann Gassi gehen oder eine weitere Trainingsrunde. Dafür holen die Angestellten die Hunde einzeln aus ihren Zwingern, jeder hat seinen eigenen Lehrplan. Der Border Collie Taco übt beispielsweise, auf Kommando in eine Box hineinzugehen und dort zu warten. Folgt er, gibt es Leckerli. Ein Deutscher Schäferhund apportiert Frisbees. Huangs Retriever Lao Jin führt wiederum Tricks wie das Balancieren eines Napfs auf dem Kopf vor. Zur Belohnung darf er anschliessend mit Huang raufen. Ein Mitarbeiter filmt währenddessen für den Online-Auftritt.

Für seine Dienste verlangt Huang 5000 Yuan (650 Euro) je Tier und Monat, zuzüglich Kosten für Futter und Medikamente. Ganz schön teuer für chinesische Verhältnisse. Doch Huangs Kunden können es sich leisten, sie fahren bevorzugt Mercedes, BMW oder Porsche. Viele seien «ein wenig faul», findet Huang. Häufig bekämen die Hunde zu wenig Bewegung. «Das führt dann zu diesen Energieschüben, oder dass sie in der Wohnung urinieren und koten.» Weil die Besitzer zu beschäftigt seien, um sich stärker um die Tiere zu kümmern, brächten sie diese dann zu ihm ins Internat.
Nicht immer seien die Hundebesitzer schuld, schränkt Huang ein. Manchmal liege es auch im Charakter der Hunde, dass sie eben wilder seien. Um Hund und Besitzer aufeinander einzustellen, trainieren sie in der Regel zweimal im Monat unter seiner Aufsicht. Er sei «ziemlich neidisch» auf Hundeschulen in westlichen Ländern, wo die Tiere nur tagsüber beim Trainer sind und abends wieder bei ihren Besitzern leben. Gut wäre auch, wenn er selbst zu den Kunden kommen könnte, um in deren normaler Umgebung zu trainieren. «Doch dafür habe ich nicht genug Personal», sagt der 25-Jährige. Damit sich das rentiert, müsste er viel mehr verlangen.
Narben an den Armen
Um neue Mitarbeiter zu finden, schaut Huang vor allem auf die Erfahrung der Bewerber. Diese kommen für zwei bis drei Monate zum Probearbeiten. Wenn dabei keine Probleme auftreten, dürften sie bleiben. Manchmal habe er auch Lehrlinge angenommen, aber das sei «sehr ermüdend», sagt Huang. «Hunde lernen schnell, Menschen sehr langsam.»
Eine staatliche Qualifizierung für Hundetrainer gibt es nicht. Um eine Hundeschule zu eröffnen, brauche es nur eine allgemeine Geschäftslizenz. «Deshalb gibt es Hundetrainer, die Hunde schlagen», sagt Huang. Die schwarzen Schafe sorgten dafür, dass die ganze Branche unter Verdacht gerate. Einer seiner aufwendigsten Fälle war demnach ein schwarzer Pitbull, der zuvor in einer anderen Hundeschule war. Er wurde dort «noch aggressiver», habe seinen Besitzer bei der kleinsten Berührung angegriffen. Huang habe über drei Monate gebraucht, um das Verhalten abzutrainieren, und der Hund komme immer noch regelmässig vorbei.
Die Narben an Huangs Armen zeugen davon, dass seine Schützlinge nicht nur feuchte Schlabberküsse verteilen.
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