Kolumne «Tribüne»Meine Rettung
Gedanken von Berthold W. Haerter, Pfarrer in Oberrieden.

In Horgen kam ich mit dem Velo von der Fähre durch den Park und erreichte das erste Gebäude beim Ortsmuseum Sust am See. Ein Lieferwagen fuhr über den Bahnübergang und wollte in meine Richtung abbiegen. Zwei Abfallcontainer verhinderten dies. Der Kleintransporter blieb auf den Schienen stehen, und der Fahrer stieg aus. Er schob die beiden Container etwas weiter nach vorn und ging zum Auto zurück.
Ich war inzwischen abgestiegen, denn ich ahnte, dass das Einbiegen immer noch nicht möglich war. Das Signal der Bahnanlage startete. Der Fahrer wurde sichtlich nervös. Er versuchte doch noch die Kurve zu bekommen, fuhr rückwärts dann wieder vorwärts – es ging nicht. Ich warf das Velo zur Seite, rannte zu den Containern und zog sie Richtung Fähre. Die Schranken begannen sich zu neigen, und der Fahrer schaffte es gerade noch, vom Gleis zu kommen, bevor die Schranken seinen Lieferwagen erreichten. Er fuhr an mir vorbei, hielt an und sagte: «Danke, Sie waren meine Rettung in letzter Minute.»

Ich bezeichne etwas als Rettung, wenn ich in grosser Not bin, keinen Ausweg mehr weiss und mir dann von aussen Hilfe zuteilwird. Lebensrettungsgesellschaften, Schutz und Rettung, Alpine Rettung, alle diese Organisationen machen genau dies, sie retten uns aus einer Not, aus der wir uns nicht mehr selbst befreien können.
Retten, ob Menschen, Tiere oder das Klima, das ist eine Aufgabe, die wir alle haben. Wenn wir mit offenen Augen und Herzen durch die Welt gehen, fallen uns Gelegenheiten zur Rettung der Schöpfung immer wieder zu. Es tut gut, wenn man dann handeln kann, manchmal auch «nur» indem man eine Einzahlung an eine Hilfsorganisation macht.
Als Christen vertrauen wir darauf, dass wir in jeder Situation gerettet werden. Das gibt Sicherheit. Es befreit von einem ängstlichen Verharren und hilft zu einem selbstverständlichen Sehen, Berührtwerden und Handeln. Man entdeckt aber auch Geschehnisse, in denen man selbst durch Menschen und/oder Gott gerettet wurde. Ein altes Kirchenlied drückt die Dankbarkeit darüber so aus: «Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen, der grosse Dinge tut, an uns und allen Enden (…).»
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