Mehr als nur Herzensangelegenheit
«Spenden: gegen akute Not, für das Glücksgefühl oder möglichst effektiv?» – darüber wurde an einem Podium der Historischen Gesellschaft diskutiert.

Die Schweiz ist ein Spendenweltmeister. 75 Prozent der Schweizer spenden einmal jährlich. 1,8 Milliarden Franken sind 2015 an wohltätige Institutionen geflossen. «Darauf sollten wir stolz sein, die Welt weiss gar nichts davon», sagt Priska Spörri, Direktionsmitglied der Glückskette.
Sie ist eine der drei Teilnehmerinnen des Podiums, veranstaltet von der Historischen Gesellschaft Wädenswil, das als Ergänzung zur Ausstellung «Macht Geben glücklich?» am Freitag in der Kulturgarage stattfand. Das Gespräch leitet Mariska Beirne, Präsidentin der Historischen Gesellschaft, die zusammen mit Christian Winkler die Ausstellung kuratiert hat.
Effektive Altruisten
Aus welcher Motivation gespendet wird und wohin die Gelder fliessen sollen, dies versuchen Brigitte Steimen, Direktorin der Stiftung Bühl, und die Seelsorgerin Janique Behman-Blattmann auszuloten. Behman beschreibt, worum es bei der von ihr vertretenen Bewegung des Effektiven Altruismus geht. Nämlich die Spenden so einzusetzen, dass mit limitierten Ressourcen möglichst vielen Menschen geholfen werden kann. Als Beispiel nennt sie einen Blindenhund, dessen Ausbildung in den USA 42 000 Dollar kostet. Mit diesem Geld könnte in der dritten Welt 840 Menschen eine Behandlung ermöglicht und das Augenlicht zurückgegeben werden. Die Stiftung Effektiver Altruismus erforsche, wo Gelder am wirkungsvollsten eingesetzt werden könnten. «Die Stiftung Bühl würde von Ihnen wohl kaum Spenden bekommen», fragt Beirne. «Darüber haben wir uns noch keine Gedanken gemacht», antwortet Behman diplomatisch.
Mit Emotionen arbeiten
«Auch wir überprüfen durch Studien , ob das Spendengeld nachhaltig und effektiv eingesetzt wurde», erklärt Spörri. «Stiftungen, die grössere Beiträge geben, wollen genau wissen was mit ihrem Geld geschieht und welche Wirkung es hat», weiss Steimen von ihrer früheren Tätigkeit beim Schweizerischen Arbeiterhilfswerk. «Sind Spenden Herzensangelegenheit?», diese Frage stellt Gesprächsleiterin Beirne an die Runde. «Wenn Menschen vom Leid berührt sind, dann wollen sie handeln», sagt Spörri und erwähnt die Flutkatastrophe in Pakistan im Jahr 2010, über welche die Menschen von den Bildern in den Medien so betroffen waren und die Glückskette aufforderten, eine Sammelaktion zu starten. 44 Mio. Franken seien damals hereingekommen. Mit Emotionen arbeiten auch die Spendensammler.
Wenn ein Drittwelt-Mädchen allein auf einem Foto abgebildet ist, wecke das mehr Emotionen und damit auch mehr Spenden, als wenn sie im Kreise ihrer Brüder zu sehen sei, erfährt das Publikum. Gesprächsleiterin Beirne spricht den Warmglow-Effekt an, also die guten Gefühle, die gemäss Studien den Spender erfüllen. «Ja, Geben macht glücklich, das stelle ich immer wieder bei den Telefonsammelaktionen der Glückskette fest», berichtet Priska Spörri.
Den Verstand einschalten
Das Herz eher zurückstellen und den Verstand einschalten, was am effektivsten sei, dafür steht die Bewegung Effektiver Altruismus. Steimen, meint, es brauche wohl beides: eine Mischung zwischen emotionalem Ansatz und dem Gedanken wo kann ich Wirkung erzielen. Sie ergänzt, die Motivation dürfe sich nicht nur auf Leid fokussieren, sondern es gehe auch darum, Institutionen zu unterstützen, die der eigenen Wertehaltung entsprächen.
Die Idee und der Wunsch, zehn Prozent seines Einkommens für Projekte im Sinne von Effektivem Altruismus weiterzugeben, bleibt im Raum stehen. «Würde jeder zehn Prozent seines Einkommens spenden, könnten das die Hilfsorganisationen gar nicht ausgeben , sagt Spörri. «Das wäre eine Grosszügigkeitsexplosion», erwidert Behman lachend, «dann könnten auch Kulturprojekte unterstützt werden».
Knallhartes Business
Eine Frau aus dem etwa 50 Personen zählenden Publikum will wissen, ob man an grosse oder kleine Organisationen spenden soll. Das lasse sich nicht eindeutig beantworten, meint Behman. Es gebe auch kleine Gruppen wie das Projekt «Moskitonetze gegen Malaria» , die sehr wirkungsvoll seien. Dass das Spendengeld nicht von der Regierung eingesackt werde, darüber macht sich ein Zuhörer Sorgen. Spörri beruhigt: in Nepal sei die Glückskette gut mit Organisationen wie Helvetas vernetzt. «Die sorgen dafür, dass die Gelder an den richtigen Ort kommen.»
Es gebe versteckte Katastrophen, die gar nicht in den Medien vorkämen, gibt ein Zuhörer zu bedenken. Spörri erläutert es am Beispiel Haiti. Ein Drittel der Spenden werde für Nothilfe verwendet, der Rest werde während einiger Jahre ausgegeben, für den Bau von Schulen und Häusern. In dieser späteren Phase seien die Medien auch nicht mehr präsent. Behman wirft ein, täglich würden weltweit 16 000 Kinder an globaler Armut sterben, das interessiere niemand, wie diese Katastrophe aufzuhalten sei. Die Frage, ob Spendensammeln ein knallhartes Business sei, besonders was die grossen internationalen Hilfswerke betrifft, wird bejaht. Dennoch – die meisten Schweizer Hilfswerke würden wertvolle Arbeit leisten, betonen die drei Podiumsfrauen. Die Ausstellung «Macht geben glücklich» läuft noch bis 23. April. Infos unter www. historische.ch
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