Maduros Regime lockt Helfer mit gefälschter Website in die Falle
Die Opposition will Hilfsgüter ins Land bringen. Doch der grösste Internetanbieter setzte ihren Helfern eine gefälschte Website vor.

Viele Menschen in Venezuela benötigen dringend Lebensmittel, Medikamente und Hygieneartikel – doch die Hilfsgüter hängen an der Grenze fest. Machthaber Nicolás Maduro will sich im eskalierenden Machtkampf mit der Opposition keine Blösse geben und beharrt auf seiner Position: Die Lieferungen kommen ihm nicht ins Land, weil es in Venezuela angeblich gar keine humanitäre Krise gebe – auch wenn Ärztevereinigungen, Hilfswerke, Kirchen und die wichtigsten Universitäten im Land dieser Auffassung seit längerem widersprechen.
Als Reaktion rief der Oppositionsführer und selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaidó am Sonntag dazu auf, sich dem Netzwerk «Voluntarios por Venezuela» (zu Deutsch: Freiwillige Helfer für Venezuela) anzuschliessen. Die Freiwilligen sollen sich auf der Website voluntariosxvenezuela.com registrieren und würden dann mehr Informationen darüber erhalten, wie der Oppositionelle die Hilfsgüter gegen den Willen der Machthaber ins Land schaffen will.
Doch am Tag danach tauchte plötzlich eine gefälschte Kopie der Website auf, die genau gleich aussah und ein identisches Registrierungsformular hatte. Im «normalen» Internet ausserhalb Venezuelas war die gefälschte Website unter einer minim abgeänderten Webadresse (voluntariovenezuela.com) erreichbar. Doch innerhalb des Landes leitete der grösste Internetanbieter Venezuelas, das Staatsunternehmen Cantv, auch die richtige Adresse auf die gefälschte Website um. Mit anderen Worten: Egal welche Webadresse Kunden von Cantv eingaben, die freiwilligen Helfer landeten immer auf der gefälschten Website – und gaben mit der Registrierung den Betrügern ihre Identität preis. Analysen von Kaspersky Lab sowie der Nichtregierungsorganisation VE sin filtro bestätigen entsprechende Berichte venezolanischer Medien.
Im Zusammenhang mit Hackerangriffen ist diese Methode als «Phishing» bekannt: Nutzern werden gefälschte Websites vorgesetzt, auf denen sie ihre Daten oder Passwörter eintragen und so den Angreifern aushändigen. Da im aktuellen Fall die Angreifer höchstwahrscheinlich aus dem Dunstkreis des autoritären Regimes in Caracas stammen, äussern sich viele Venezolaner, die auf die Masche hereingefallen sind, besorgt auf Twitter und fragen, was sie nun tun sollen.
«Dieser Fall ist angesichts der Geschichte der Verfolgung von Aktivisten, Demonstranten und Oppositionellen in Venezuela äusserst schwerwiegend», schreibt VE sin filtro dazu. Die Organisation erinnert «insbesondere an die Verwendung von Bürgerlisten zur Diskriminierung von Regierungsgegnern». Das ist eine Anspielung auf die berüchtigte Lista Tascón: 2004 veröffentlichte Luis Tascón die Namen und ID-Nummern von über zwei Millionen Venezolanern, die ein Referendum gegen Maduros Vorgänger Hugo Chávez unterschrieben hatten.
Nachdem die gefälschte Website aufflog, ging sie wieder offline – ob das die Entscheidung der Betrüger selbst oder der Hostingfirma war, ist unklar. Doch die Betrüger haben offenbar eine grössere Datenspur hinterlassen, als ihnen lieb war. Denn gemäss den Archiven der Anti-Phishing-Websites securitytrails.com und checkphish.ai wurde bereits andere dubiose Webadressen aus Venezuela auf die gleiche IP-Adresse weitergeleitet: darunter verschiedene Adressen, die Twitter und Gmail ähnelten.
Zensur, Fake News und Propaganda auf allen Kanälen
Das venezolanische Regime nutzt bereits seit längerem Täuschungen und Zensur zu seinem politischen Vorteil. Ein weiteres Beispiel aus der aktuellen Woche: Während Guaidó vor Zehntausenden Unterstützern in Caracas sprach, wurde Youtube gesperrt, wo die Rede live übertragen wurde. Das bestätigten VE sin filtro und NetBlocks.
Zuvor vermeldete das populäre Nachrichtenportal Efecto Cocuyo, dass in seinem Namen auf Twitter Fake News verbreitet würden. Die Falschnachricht behauptete, das Rote Kreuz hätte gewarnt, dass die Hilfsgüter in der Nähe der kolumbianischen Grenzstadt Cúcuta «schwere Gesundheitsprobleme» verursachten.
Ein anschauliches «offline» Beispiel sind die Parlamentswahlen 2015: Die Wahlbehörde CNE setzte auf den Wahlkampfzetteln neben die Einheitsliste der Opposition eine weitere Liste mit fast identischem Logo. Beim folgenden Beispiel sehen Sie links unten die Liste «MUD Unidad» der echten Opposition mit der Hand mit dem Daumen nach oben – rechts davon eine unbekannte Liste «MIN UNIDAD» in gleicher Farbe.

Trotz der Manipulation gewann die Opposition mit rund 56 Prozent der Stimmen eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, das in den Monaten danach vom regierungshörigen Obersten Gerichtshof kurzum entmachtet wurde.
Auch Maduros Vorgänger Chávez nutzte seit jeher den nationalen Notfallkanal, um zumeist am Sonntag über alle nationalen TV- und Radiokanäle seine persönliche Show Aló Presidente auszustrahlen. Während seiner mächtigsten Phase ab 2005 verstaatlichte Chávez neben Hunderten Unternehmen auch viele unabhängige TV- und Radiosender, die dann gleichgeschaltet wurden.
Cantv ist Venezuelas Pendant zur Swisscom. In den 1990ern wurde das Telekomunternehmen privatisiert, nur um dann von Chávez 2007 wieder verstaatlicht zu werden. Seither steht die Firma unter der Knute der Regierung.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch