Gartenkolumne «Nachgehackt»Löcher im Garten
Einmal sinds die Hühner, einmal der Sohn. Wie der Garten im Winter plötzlich von fremden Mächten übernommen wird.

Ich schreite den kahlen Garten ab und hole tief Luft. Vor mir tun sich Löcher auf. Sie sind mindestens einen halben Meter tief und sehr akkurat gegraben. Der Sohn nennt sie Baugruben. Daneben hat er den Aushub aufgeschichtet. Ich bin vermutlich die Einzige hier, die weiss, dass an dieser Stelle Nüsslisalat hätte wachsen können.
Ja, der Garten wurde okkupiert. Jetzt, wo ich das mit den frei laufenden Hühnern langsam im Griff hätte, wo ich akzeptiere, dass sie hemmungslos pickend durch den Garten schreiten, stellen sich schon wieder neue Probleme. Denn der Sohn fand den künstlichen Hügel aus Erde, der sich eines Tages vor ihm auftat, so inspirierend, dass er gleich alle seine Fahrzeuge aus dem Sandkasten dorthin zügelte. Dabei hatten wir lediglich unsere Tomatenkübel auf das Gartenbeet geleert, um die Erde dann im Frühling einzuarbeiten.
Dicke Luft
Seine spontane Umnutzung ist kein Problem, eigentlich. Aber leider sind ihm zahlreiche noch wachsende Pflänzchen ein Dorn im Auge. «Wann erntest du endlich allen Lauch? Ich muss auf diesem Beet arbeiten», sagte er neulich zu mir. Das Lauchfeld ist auf der anderen Seite des Gartens und erst halb abgeerntet. Ich fühlte mich in meiner Gartenfreiheit bedrängt.
Der Mann beschwichtigte. Und wagte es, mir zu empfehlen, ich solle mal ein bisschen entspannen. Den Garten Garten sein lassen und es ruhiger angehen. Vielleicht hat er damit gemeint, ich solle mal auf dem Sofa sitzen. Ein Buch lesen, Karten spielen mit den Kindern. Aber zu dieser Ergänzung ist er nicht mehr gekommen. Denn da war ich schon irgendwo an der Decke. Dicke Luft.
Also bin ich raus an die frische Luft. In den Garten, aber ich habe die Stiefel nicht angezogen. Ein Fehler. Der Garten ist zu keiner Jahreszeit so matschig wie jetzt. Die Erde bleibt zentimeterdick an den Schuhen kleben. Wenn man nicht gut aufpasst, rutscht man aus.
Planierte Strasse
Eigentlich kann man dort überhaupt nichts machen. Eigentlich geht man dort besser gar nicht hin, ausser man will Wintergemüse ernten. Zuckerhut, Nüssler, Federkohl und Spinat, ihnen allen geht es immer noch bestens. Sie wurden glücklicherweise durch die Baustelle nebenan nicht in Mitleidenschaft gezogen. Im Gegenteil: Zwischen ihnen und der Baustelle verläuft sogar eine sorgfältig planierte Strasse, wie ich jetzt sehe. Der Sohn hat die Gartenplatten, auf denen wir in normalen Zeiten von Beet zu Beet gehen würden, mit festgedrückter Erde bedeckt. Auf dem freien Feld würden seine Lastwagen vermutlich stecken bleiben.
Plötzlich höre ich das monotone Bumm eines Vorschlaghammers. Ich spähe über die Hecke. Der Mann und der Sohn machen ein Loch mitten in den Rasen. Ich will schon intervenieren, da graben sie den Weihnachtsbaum ein, hängen Meisenknödel dran.
Ich bin gerührt, will zu ihnen eilen – und rutsche prompt auf diesen sauglatten Baustellenstrassen aus. Aber alles wird besser im neuen Jahr – es muss ja.
Fehler gefunden?Jetzt melden.