Künstliche IntelligenzGrosse KI-Modelle sind Dreckschleudern
Techkonzerne verkaufen uns KI als Lösung aller Probleme. Dabei verbraucht sie riesige Mengen an Ressourcen und verschmutzt die Umwelt.

Es ist 2025, und die Folgen des Klimawandels springen uns wöchentlich von den Titelseiten entgegen. Doch laut den Hochglanzwebsites der Techkonzerne scheint die Lösung gefunden: künstliche Intelligenz (KI).
Das Bild der KI als Weltretterin, auf Knopfdruck verfügbar in der luftigen Cloud, ist schnell als Trug entlarvt. KI ist physisch: Ihre Hardware erfordert seltene Mineralien, für ihre Entwicklung schuften Click-Worker unter prekären Bedingungen, ihre Rechenzentren verbrauchen enorme Mengen an Wasser und Energie, der CO2-Ausstoss von Microsoft und Google wurde durch KI um 30 beziehungsweise 50 Prozent in die Höhe getrieben.
Grosse KI-Modelle sind also auch eine Dreckschleuder. Doch, Moment: Wiegen ihre Chancen für das Klima, etwa effizientere Stromnetze oder genauere Prognosen von Naturkatastrophen, dies nicht auf? Können wir nicht, frei nach Bill Gates, davon ausgehen, dass wir die steigende Energienutzung durch KI künftig dank KI wieder einsparen? Dass KI zwar vorerst auf fossile Energie angewiesen bleibt, aber langfristig sauber und grün wird? Dass wir also immer mehr in immer grössere KI-Modelle investieren müssen, um die goldene KI-Zukunft Realität werden zu lassen?
Techkonzerne und Investoren prophezeien all dies – doch Belege fehlen. Wertvolle Beiträge für nachhaltigere Lösungen entstehen oft durch kleinere, spezifische KI-Systeme, die von der Wissenschaft im öffentlichen Interesse entwickelt werden und viel weniger Ressourcen verbrauchen. Diese können wir nicht einfach in einen Topf werfen mit den riesigen Allzweck-KI-Modellen der Techgiganten. Doch die grossen Versprechen und die Aufmerksamkeit ranken sich um Letztere – und dahin fliessen die Milliarden an Investitionen.
Wir müssen für nachhaltige KI sorgen
Davon profitiert letztlich dieselbe Handvoll Konzerne. Solange wir ihre monopolisierte Technologie und ihre Erzählung, dass wir den ökologischen, sozialen und ökonomischen Preis von immer grösseren KI-Modellen zugunsten eines ungewissen Nutzens in der Zukunft akzeptieren müssen, unhinterfragt übernehmen, wird KI vor allem ihrem illustren Kreis, nicht aber der Menschheit und dem Planeten als Ganzes dienen.
Der AI Action Summit, zu dem am Montag in Paris Regierungen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft – darunter Algorithm Watch – zusammenkommen, rückt so eine wichtige Aufgabe ins Licht: Wir müssen nicht nur KI für Nachhaltigkeit nutzen, sondern auch für nachhaltige KI sorgen. Auch in der Schweiz. Der Bundesrat wird Mitte des Monats eine Auslegeordnung zu KI-Regulierungen veröffentlichen. Ihm sollte bewusst sein: Das Potenzial der Technologie nutzen wir nur dann wirklich, wenn wir ihre Herausforderungen ernsthaft angehen. Dazu gehört auch, den ökologischen Fussabdruck und die Machtkonzentration hinter grossen KI-Modellen in den Fokus zu rücken und so ein innovatives, nachhaltiges und gemeinwohlorientiertes KI-Ökosystem zu ermöglichen.
Es ist 2025 und wir hoffen noch immer, dass irgendjemand oder irgendetwas – diesmal KI – uns die grosse Aufgabe abnimmt, den Planeten zu retten. Dass wir glauben, dass Open AI, Microsoft, Google und Co. uns aus purem Altruismus diese Aufgabe abnehmen, mag mit Blick auf ihre Werbeetats erklärbar sein – moralisch, empirisch oder ökologisch rechtfertigbar ist es nicht.
Angela Müller ist Geschäftsleiterin von Algorithm Watch CH.
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