Mitfahrt Kia EV6 GTKorea zündet den Elektroturbo
Ende des Jahres kommt der heisseste Kia aller Zeiten auf Europas Strassen. Der EV6 GT ist die sportliche Variante der vollelektrischen Limousine. Der Fünftürer katapultiert sich in 3,5 Sekunden auf 100 km/h.

Hand aufs Herz: Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass ein Kia aus Korea in einem Atemzug mit zwei deutschen Premiummarken aus Deutschland genannt werden kann. Denn auf der deutschen Autobahn ist der neue Kia EV6 mit dem Kürzel «GT» alles andere als ein Aussenseiter, doch auf dem Einkaufszettel europäischer E-Powerfans muss er erst noch ankommen. Hier stehen bayrische Sportprodukte ganz oben, zum Beispiel der BMW i4 M50 oder der Audi e-tron S Sportback.
Aber das könnte sich ändern, wenn der Kia ab Ende des Jahres zum Vergleich antritt. Alle drei haben natürlich Allradantrieb, dank dicker Batterien eine Reichweite von um die 500 Kilometer, vertrauen auf eine Durchzugskraft, wie sie früher einmal hubraumstarken Dieselmotoren nachgesagt wurde. Nur im Preis offenbart sich der Unterschied. So einen Audi gibts ab 106’780 Franken, beim BMW der M-Familie sind mindestens 86’900 Franken zu investieren, während der koreanische E-Sportler wohl unter der 80’000-Franken-Marke bleiben wird.
Schluss mit dem Vergleich, der für nicht wenige Fans solcher Autos ohnehin als «Shocking» gelten dürfte. Wenden wir uns dem Herausforderer zu, auch wenn der Platz am Lenkrad derzeit noch Menschen mit Kia-Firmenausweis vorbehalten ist. Aber auch auf dem rechten Vordersitz wird beim Laien die Erinnerung an die koreanische Kampfkunst Taekwondo wach, die auf Schnelligkeit und Dynamik ausgelegt ist. «Beakjul-bool-gul» heisst einer der Grundsätze dieser Sportart und steht für Unbezwingbarkeit. Zugegeben, wenn der EV6 GT loslegt, die Kraft von 430 kW/585 PS über alle vier Räder auf den Asphalt der freien deutschen Autobahn hämmert, scheint er unbezwingbar. Aber Tempo-Orgien? In der Schweiz gottlob kein Thema.
Viele Trümpfe für das elektrische Auto-Quartett-Spiel
Für künftige Eigner sollte es auch reichen, dass der Starkstromer vieles könnte, wenn es denn sein muss. In 3,5 Sekunden auf 100 km/h, eine Spitze von 260 km/h: Auf dem Papier und im Auto-Quartett klingt das beeindruckend, mit der Grundidee des Elektroautos hat das sicher wenig zu tun. Denn bei solchen Eskapaden würde der EV6 GT länger an der Ladesäule stehen als auf der linken Spur. Es sei denn, das Navi entdeckt eine der superschnellen Stromtankstellen. Dann kann die 77,4-kWh-Batterie in nur 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent ihrer Kapazität nachgeladen werden.
Aber die technischen Feinheiten sind auch ohne durchgetretenes rechtes Pedal erlebbar. Der Allradantrieb, kombiniert mit einer elektronischen Regelung von Dämpfern, Lenkung und einer Differenzialsperre, lassen beim 2,3-Tonner selbst in flotten Kurven keine Seitenneigung aufkommen. Gleiches gilt für das nickende Eintauchen beim gewaltigen Tritt auf die Bremse. Da steckt viel Feinarbeit drin, die sich auch im Alltag bewähren dürfte. Der spezielle Fahrmodus «GT» bleibt bei der Verwendung des Kia als Familien-Shuttle zur Kita oder als Eiltransporter beim Wochenendeinkauf (bis zu 1260 Liter Kofferraum) sicher meist ungenutzt.
Im Vergleich zu den normalen EV6-Modellen schmückten die Designer ihr bestes Stück an einigen Stellen behutsam aus. Ein exklusiver Stossfänger vorn betont die Breite des GT. Dazu V-förmige LED-Tagfahrleuchten in schmalen Gehäusen, eine Motorhaube mit zwei erhaben abwärts gerichteten Kanten und ein eleganter Dachspoiler. Die 21-Zoll-Räder geben zudem den Blick auf neonfarbene Bremssättel frei. Und auch das durchgehende Leuchtenband macht am Heck viel her. Innen entspricht er weitgehend den schwächeren Modellen, wenn man einmal von schwarzen Schalensitzen mit veganen Bezügen in Wildlederoptik absieht.
Bei aller Frage der Sinnhaftigkeit überpowerter Elektroautos bleibt ein starker Eindruck. Vor allem die ruckfreie Beschleunigung, wenn es bei frei werdender linker Spur von 80 auf 120 km/h geht, bis sich wieder ein Kleintransporter in den Weg stellt. Oder das typische helle Singen der beiden E-Motoren, die im Gleichklang mit den Abrollgeräuschen der dicken Reifen und dem Sausen des Fahrtwinds zum Konzert bitten. Dazu das Gefühl, sich dank diverser Monitore inmitten einer technisierten Welt von Tablets zu bewegen, die alle Informationen aus dem virtuellen Netz saugen.
Es bleibt spannend, ob Premiumkäufer auch mal den Ausflug in ein koreanisches Autohaus wagen, wenn der EV6 GT Ende des Jahres auf die Strasse darf.
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