Kokain-Deal: Jetzt spricht SVP-Nationalrat Stamm
Quasi als verdeckter Ermittler kauft Luzi Stamm in der Berner Altstadt einem Strassenmusiker Drogen ab. Was waren seine Beweggründe?
SVP-Nationalrat Luzi Stamm hat am Dienstagabend nach einem Lobbyanlass der Credit Suisse in Bern einem Strassenmusiker ein Gramm Kokain für etwas mehr als 40 Franken abgekauft. Dies berichtete am Mittwoch zuerst «CH Media». Die Absicht des 66-jährigen Juristen: Er wollte den Piano spielenden Dealer zur Anzeige bringen.
Stamm selbst äusserte sich am späteren Mittwochabend im Video (oben) gegenüber «20 Minuten» zu dieser Angelegenheit. Mit der Aktion habe er ein Zeichen gegen den Drogenhandel setzen wollen, da die Behörden nicht durchgreifen würden. «Würde man mehr Lockvögel einsetzen, wären die Missstände sofort weg.»
Das Exempel sei «leicht strafbar» und möglicherweise kostspielig. Angst mache es ihm aber nicht, dass im schlimmsten Fall bis zu drei Jahre Gefängnis drohen könnten: «Das lohnt sich. Mehr als 100 Franken Strafbefehl können sie mir nicht geben, da ich achtenswerte Gründe habe.» Das werde ein Richter sehen.
Kennt die Drogenszene «wie kaum ein anderer»
Die Geschichte ist bis in die letzten Einzelheiten bizarr. So habe Stamm sein Showtalent ausgepackt und den Interessierten gespielt, berichtete «CH Media». Der Deal fand hinter einer Hausecke statt. Stamm sei verwundert gewesen, wie leicht er an Drogen kommen könne – trotz langer Verhandlung mit dem Dealer, Notentausch im Restaurant und dem Androhen, die Polizei einzuschalten.
Stamm rühmte sich damit, dass er die Drogenszene «wie kaum jemand anderer in der Schweiz» kenne. Seit den Zeiten des Zürcher Platzspitzes in den 80ern und 90ern verfolge er Preise, Handel und die wachsende Kriminalität. Als Richter habe er damals Drogensüchtige verurteilt.
Schlaflose Nacht
Nach abgeschlossenem Deal begab sich Stamm mit dem Kokain ins Bundeshaus. Dort wollte er es zuerst verstecken, um am nächsten Tag Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Der Sicherheitsdienst habe ihn jedoch gebeten, das Säcklein wieder mitzunehmen.
So grotesk die Geschichte jetzt schon klingt, so geht sie weiter. Offenbar wollte Stamm den Dealer noch einmal aufsuchen, fand ihn aber nicht mehr. Er habe sich danach mit Fastfood «gestärkt», fuhr in seinem Auto noch ein Paar Runden durch die Berner Innenstadt um nach «verdächtigen Personen zu suchen». Er fand aber niemanden und fuhr mit demKokain nach Hause, nach Baden.
Die Situation beunruhigte den Nationalrat offenbar weiter. Denn nicht nur der Verkauf, auch der Besitz und der Erwerb von Drogen ist laut Gesetz strafbar. Nach einer schlaflosen Nacht beorderte er am nächsten Tag die Polizei ins Bundeshaus. Die hat das Säckchen mit dem weissen Pulver in ihre Obhut genommen.
«Mitglieder der politischen Elite sind selbst kokainsüchtig»
In ein paar Wochen will Stamm dem Berner CVP-Gemeinderat und Sicherheitsdirektor Reto Nause einen Besuch abstatten, um zu sehen, ob der «Kampf gegen die Drogenmafia» angelaufen ist, wie es in den Berichten auf den Newsportalen von «CH Media» weiter heisst.
«Die Kriminalität in diesem Land darf nicht sein», wird er zitiert. Doch es gebe Mitglieder der politischen Elite, welche die Mafia bewusst ins Land lassen würden – weil sie selbst kokainsüchtig seien. Sein Ziel sei es, den Kokainring in der Schweiz zu zerstören.
Stamm konsumiert nach eigenen Angaben kein Kokain. Er sei schon im Normalzustand eine überdrehte Person. «Würde ich Kokain nehmen, käme das nicht gut.»
Polizei bestätigt Einsatz
Christoph Gnägi, Mediensprecher der Berner Kantonspolizei, hat gegenüber «20 Minuten» den Einsatz bestätigt: «Herr Stamm hat uns gerufen und eine weisse Substanz übergeben. Ein erster Schnelltest hat ergeben, dass sie Kokain enthält.»
Nun würden die genauen Umstände geklärt, wie Stamm in den Besitz des Kokains gekommen sei. «Grundsätzlich sind der Besitz und Erwerb von Kokain verboten», so Gnägi. Ob man Stamm eine Haarprobe entnommen habe, sagt die Polizei nicht.
Anwalt: Stamm drohen bis zu drei Jahre Haft oder Busse
«Laut Artikel 19 des Betäubungsmittelgesetzes drohen Luzi Stamm für das unbefugte Besitzen, Aufbewahren und Erwerben eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe», wird ein Berner Anwalt bei «20 Minuten» zitiert. Stamm könnte sich selbst strafbar gemacht haben.
Zwar könnten das Motiv für den Kauf und ein leerer Strafregisterauszug strafmildernde Umstände mit sich bringen. «Würde es zu einer Verurteilung kommen, ist eher mit einer bedingten Geldstrafe zu rechnen», erklärt der Anwalt. Für die Aktion Stamms habe er kein Verständnis: «Verdeckte Ermittlungen sind Aufgabe des Staates.»
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