Das Erbe der Sinne«Kikeriki» und «Mäh» werden in Frankreich Kulturerbe
Städter auf dem Land sorgten in den letzten Jahren für viele Gerichtsprozesse: Nun wurde das ländliche Frankreich gestärkt. Wer auf dem Land wohnt, muss Geräusche und Gerüche in Kauf nehmen.

Der Hahnenschrei, das Muhen von Kühen und das Blöken von Schafen gehören künftig in Frankreich zum Kulturerbe: Das Parlament in Paris besiegelte am Donnerstag ein Gesetz zum Schutz der Geräusche und Gerüche auf dem Land, das sogenannte «Sinnes-Erbe». Damit sollen Klagen zugezogener Städter über zu viel Lärm auf dem Land verhindert werden.
Nach der Nationalversammlung stimmte am Donnerstag auch der Senat der Vorlage zu. Agar-Staatssekretär Joël Giraud begrüsste den Beschluss. Wer auf dem Land wohne, müsse «einige Belästigungen in Kauf nehmen», sagte er. In der Corona-Pandemie hatten unter anderem viele Pariser die Stadt verlassen, um der Enge zu entgehen.
Mit dem Gesetz werden auch das Läuten von Kirchenglocken, das Zirpen von Grillen oder der Geruch von Schweine- oder Pferdeställen für charakteristisch ländlich erklärt.
In Frankreich hatte es zuletzt eine ganze Reihe von Prozessen gegen angebliche Belästigungen auf dem Land gegeben. Darunter auch einer, in dem es um den Gockel Maurice ging.
Das grösste Medienecho erzeugte die Klage eines zugezogenen Rentnerpaars auf der Atlantik-Insel Oléron. Sie richtete sich gegen einen Hahn namens Maurice, der in den frühen Morgenstunden laut gekräht hatte.
Die Initiative für den Schutz des ländlichen «Erbes» geht auf den Bürgermeister des 400-Seelen-Dorfes Gajac im Südwesten Frankreichs, Bruno Dionis du Séjour, zurück. Der pensionierte Landwirt hatte sich in einem offenen Brief gegen Zugezogene «mehrheitlich städtischer Herkunft» gewandt, die aufs Land ziehen «und dort entdecken, dass Eier nicht auf Bäumen wachsen». Der Ortsvorsteher erhielt massiven Zuspruch, unter anderem aus dem Parlament.
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Vor ein paar Jahren klagten Neuzuzüger in meiner ehemaligen Heimatgemeinde Wädenswil gegen das Läuten der Kirchenuhr in der Nacht, das mich in meiner frühen Jugend immer beruhigend begleitet hatte. Verschiedene gerichtliche Instanzen, zuletzt das Bundesgericht, entschieden, dass dieses Läuten ein Kulturgut sei und nicht abgeschafft werden könne. Ich war damals sehr stolz auf unsere Justiz. Es gibt sie noch, die kleinen Wunder, dachte ich. Toll, das Frankreich dies nun in ein Gesetz giesst!